Bannkrieger
so stark, dass sie ihm den Bauch verbrannte.
»Glaubst du denn wirklich, dass sie es war?«, stammelte er verstört. »Ohne ihren Tross, in dieser unbedeutenden Gegend, von nur einer Handvoll Getreuer begleitet?«
Hatras Gestalt nahm wieder mehr Konturen an. Stück für Stück schälten sich ihre Umrisse aus dem Schatten hervor, während sie mehr mit sich selbst als mit Rorn sprach.
»Der Lederhäuter muss meine Sinne getrübt haben«, murmelte sie fassungslos. »Wie sonst konnte ich die Zeichen derart missverstehen? Das Geschmeiß der Erde, das ihrer Gegenwart flieht … Es konnte nur sie sein! Sie, die das Unheil von unseren Feldern bannt, die Schutzheilige aller Bauern – die Jadeträgerin! O weh, welch üble Plagen werden über uns hereinbrechen, falls ihr etwas zustößt!«
Trotz der morgendlichen Kälte klebte Rorn das Hemd plötzlich am Rücken. »Und das soll jetzt alles meine Schuld sein?«, rief er verzweifelt, während er an die Felder des Dorfes, ja, des ganzen Reiches dachte.
Hatra sah ihn drei, vier Atemzüge lang durchdringend an, dann schüttelte sie resigniert den Kopf. »Nein, kleiner Schmied«, antwortete sie mit brüchiger Stimme. »Hier sind Kräfte am Werk, die deinen Verstand bei Weitem übersteigen.« Was sie da sagte, machte Rorn wütend, doch ihr schien gar nicht in den Sinn zu kommen, wie verletzend ihre Worte waren, und so redete sie einfach weiter. »Wahrscheinlich musste eines Tages geschehen, was jetzt geschieht, vielleicht fordern höhere Mächte ihr Recht auf …«
Rorn hörte nicht länger, was die Alte vor sich hinbrabbelte, sondern rannte bereits davon. Wie hätte er auch stehen bleiben können, während sich die Gedanken in seinem Kopf vor Panik überschlugen. Er musste sich ganz einfach bewegen, musste etwas tun, irgendetwas, auch wenn es vollkommen sinnlos oder gar verrückt erschien. Keuchend hetzte er über Baumwurzeln, Steine und Bruchholz hinweg. Dicht belaubte Äste und grüne Farnstauden schlugen ihm ins Gesicht, während er einen tollkühnen Plan fasste.
Der Weg zur Landzunge ließ sich abkürzen! Er musste es nur schnell genug die Hügel hinaufschaffen, dann kam er vielleicht noch rechtzeitig, um das Schlimmste zu verhindern.
Schnaufend kämpfte er sich durchs Unterholz, zwischen hohen Bäumen hindurch, deren oberstes Laub grün schimmernde Gewölbe formte. Bodenranken schlangen sich um seine Knöchel, doch sooft er auch ins Stolpern geriet, er stürzte nicht, sondern brach sich weiter ungestüm seinen Weg.
Mit von Kratzern übersäten Händen und aus einem Riss an der linken Wange blutend, erreichte er endlich einen laubbedeckten Pfad, der steil in die Höhe führte. Seine Beinmuskeln schmerzten, und das Herz schlug ihm wild in der Brust, trotzdem verdoppelte er das Tempo noch.
Doch zu spät, all seine Anstrengungen waren umsonst! Als er den von Buchen und Erlen gesäumten Höhenzug erreichte, drang bereits stählernes Klirren aus der Tiefe empor.
Erschöpft lehnte er sich an einen grün bemoosten Baumstamm und starrte suchend über das steil abfallende Erdreich hinweg. Er hatte den Punkt, an dem die beiden verfeindeten Parteien aufeinandertreffen mussten, gut vorausgeahnt oder ganz einfach Glück gehabt, auf jeden Fall spielte sich das Getümmel in unmittelbarer Sichtweite ab, kaum zwanzig Königsschritte von dem dicht bewachsenen Geländeeinschnitt entfernt, den die heimischen Jäger zum Abstieg benutzten.
Einer der königlichen Gardisten lag bereits blutüberströmt im Dreck, den Kopf in einem solch unnatürlichen Winkel verdreht, dass der Kerl schon durch den Sturz zu Tode gekommen sein musste, lange bevor die Stich- und Schnittwunden ihr schleichendes Werk vollenden konnten. Der andere Greifensteiner saß noch im Sattel und wehrte mit wuchtigen, aber bereits von Verzweiflung geprägten Schwerthieben zwei gleichzeitig auf ihn eindringende Feinde ab, die mit großem Geschick vorgingen.
Einer dieser beiden Gegner war Alvin, der Anführer der Iskander.
Die Wucht, mit der Alvin und sein Gefährte auf Schwert und Schild des Gardisten eindroschen, kostete die beiden ebenso viel Kraft wie ihn, aber da sie sich abwechselten, wirkten sie noch frisch, während dem Greifensteiner bereits die Arme lahm wurden. So war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie seine Deckung durchbrechen und ihn niedermachen würden.
Auf Seiten der Iskander gab es ebenfalls Verletzte, die vornübergebeugt im Sattel saßen und sich nur noch mit Mühe in den Mähnen ihrer Pferde
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