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Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras

Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras

Titel: Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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lächelte; er hatte links einen goldenen Eckzahn. »Das wollen und können wir nicht«, gab er zurück. »Aber wir können Münzen gut gebrauchen – Foldar. Ihr prägt doch auch Foldar, oder? Und wenn nicht, sind wir bereit, eine bestimmte Menge an Gegenleistungen vertraglich festzuschreiben und beim nächsten Mal mitzunehmen.«
    Tineti grübelte. »Nein, Foldar sind besser«, sagte sie. »Man soll Schulden immer gleich aus dem Keller schaffen, bevor sie einem das Dach eindrücken.«
    Shevshan zog Papier und einen Stift aus der Tasche sei nes braunen Hemds und schrieb Zahlen nieder.
    Tineti hatte das Gefühl, beobachtet zu werden, wandte sich jedoch nicht um. Sie wartete auf das Ergebnis der Rechnung.
    »Nun, das wären ungefähr zweihundertfünfzig Foldar«, sagte Shevshan schließlich. Er blickte über Tinetis Schulter zu einem ihr nicht einsehbaren Punkt, und sie hatte das Gefühl, er betrachte die Person, von der sie sich beobachtet wähnte.
    Tineti wollte nicht feilschen. »Wir werden den Preis im Kreis der Alten beraten.«
    Vom Dorfplatz zwischen den riedgedeckten Holzhäusern näherten sich Schritte. Tineti wandte sich nun doch um und riß die Augen auf.
    Der alte krummbeinige Mann mit tausend Runzeln im Gesicht trat neben sie und legte die Innenfläche seiner Hand an ihre Wange. »Mutter der Taggashil«, sagte er lächelnd, »der Fisch meiner Seele schnellt aus dem Wasser des Trübsinns, da ich dich sehe!«
    Tineti kicherte. »Freund und Vater«, sagte sie. »Du solltest einer alten Frau nicht solche Dinge sagen. Sie lassen mich daran denken, daß ich kaum noch Zähne habe und einen krummen Rücken.« Sie warf Shevshan einen Blick zu. »Dies ist Shevshan aus Gashiri«, sagte sie. »Und dies ist der weitgereiste, weise Saravyi.«
    Einen winzigen Moment lang schienen die Augen des braunen Mannes aus der Anarchovegetarischen Union zu flackern; dann neigte er knapp den Kopf. »Gruß«, sagte er. Er wandte sich Tineti zu. »Ich werde auf dem Schiff gebraucht, Obfrau der Taggashil. Bitte schick uns einen Boten, wenn die Alten über den Preis beraten haben.«
    Saravyi blickte ihm nach. Shevshan ging mit schnellen Schritten zum Anlegesteg, sprang in das Beiboot und gab mit Gesten Anweisungen. Die Ruderer ergriffen ihre Rie men und steuerten das Schiff an.
    »Ein merkwürdiges Gesicht«, sagte Saravyi. »Man könn te fast meinen, er kennt mich und will ganz schnell aus meiner Nähe.«
    Tineti strahlte; sie legte eine Hand auf die Schulter des al ten Mannes. »Unmöglich, Saravyi. Wer würde sich freiwillig der Wonne deiner Gegenwart berauben?«
    Saravyi starrte mit zusammengekniffenen Brauen zum Schiff aus Gashiri hinüber. Eine kaum merkliche Brise weh te von Nordwesten und kräuselte das Wasser des trägen Stroms. »Oh, ich könnte dir einige Namen nennen«, sagte er gedehnt. »So zum Beispiel die ehemals wichtigsten Mütter von Pasdan.«
    Tineti wurde ernst. »Du meinst, Shevshan gehört zu den wichtigsten Leuten aus Gashiri und hat deshalb Besorgnis, wenn er dich sieht?«
    Saravyi zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Gibt es unter diesen seltsamen Wahnsinnigen wichtige Leute? Ich dachte, alle seien gleich wahnsinnig. Und gleich unwichtig.«
     
    Während die Alten über den Handel berieten, wanderte Saravyi durchs Dorf und grübelte. Gerüchte über Besucher aus Gashiri hatten ihn zu diesem Umweg veranlaßt. Er war auf dem Weg aus dem Norden über Cadhras nach Golgit, Kelgarla und Sa’orq im Süden. Seit dem Ende des Matriarchats von Pasdan hatte er sich vergebens bemüht, seine düsteren Ahnungen abzuschütteln oder sie einem übermäßigen Realismus zuzuschreiben. Saravyi seufzte und setzte sich auf einen ausgehöhlten Baumstamm, durch den Kinder krabbelten. Sie wuselten um seine Füße, verwickelten ihn in ihr Spiel. Der alte Mann spielte mit, beantwortete kindliche Rätselfragen, gab Tips zum unauffindbaren Verstecken nichtexistenter Gegenstände (ein Mädchen behauptete, einen fürchterlich großen Schatz verstecken zu müssen, damit die Fremden – dargestellt durch einen Jungen – ihn nicht fänden), aber ein Teil seines Geistes wanderte zerstreut umher und befaßte sich mit den Besorgnissen. Saravyi starrte in den Nachmittagshimmel, rollte eine unförmige Zigarette, zündete sie an und sah dem aufsteigenden Rauch hinterher. Entweder handelte es sich um eine langfristig angelegte Öffnung des bisher verschlossenen Gashiri, also eine Änderung zum Besseren, zum friedlichen Miteinander; aber dann

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