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Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras

Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras

Titel: Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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die Fremdheit, mit der man rechnet, die in sich erwartet und damit beinahe vertraut ist. Beängstigender ist jähe, un begreifliche Fremdheit bei Altbekanntem; der über Nacht in geistiger Verwirrung versunkene Freund ist viel fremdartiger als ein sich bizarr gebärdender Unbekannter. Saravyi empfand etwas, das er nicht benennen konnte. Wie ein gewöhnliches Wort, das durch eine winzige Veränderung eine unauslotbare, bedrohliche Bedeutung bekommt. Erschrec kende Bilder formten sich: Gräßlich entstellte riesige Fische, die an Land stiegen und durch Straßen wanderten, welche sich unter ihrem vielbeinigen Trampeln so veränderten, als seien sie schon immer Fischstraßen gewesen, auf denen Menschen nicht gehen sollten.
    Er öffnete die Augen, zog die Hände zurück. »Schwarzes Eis und wandernde Fische«, murmelte er. Langsam ging er zum Anlegesteg und starrte über das matte Wasser zum Schiff, das im Strom ankerte. Wieder schloß er die Augen und tastete nach dem braunen Fremden. Wie alle Heiler konnte er zwar keine Gedanken lesen, aber Stimmungen fühlen, die ungefähre Beschaffenheit eines Menschen oder die Gemütslage einer Gruppe erahnen. Er fand Shevshan schnell – kalter Intellekt, der mit etwas beschäftigt war, das die gleiche Qualität hatte wie der Stoff: schwarzes Eis.
    Saravyi massierte sich die Schläfen. Eine junge Frau trat schnell neben ihn und berührte seinen Arm. Er lächelte sie an. »Keine Besorgnis, Tochter«, sagte er. »Ich werde alt und meine Kraft läßt nach, aber stürzen werde ich deshalb nicht.«
    Er war ratlos. Am liebsten hätte er den Taggashil gesagt: »Werft die Waren ins Wasser oder verbrennt sie!« Die Fremdartigkeit, die er wahrgenommen hatte, war nicht kon kret bedrohlich. Nicht so konkret zumindest, daß er hätte sagen können, was sich aus ihr ergeben mochte.
    Im Rat der Alten schwieg er; besser nichts sagen als Un genaues. Zwei Tage später verließ er das Losabu-Delta. Die Händler aus Gashiri waren längst abgesegelt, und die Waren wurden verteilt. ›Harmlos‹, dachte er, als er fortritt, ›oder furchtbarer als alles Bisherige, einschließlich Pasdan.‹ Aber er wußte nicht, welche Möglichkeit zutraf.
     
    Vom Delta des Losabu ritt Saravyi zunächst gemächlich flußaufwärts. Etliche Tage verbrachte er in Dörfern am Mittel- und Oberlauf des großen Stroms, besuchte alte Freunde und beriet mit örtlichen Heilerinnen und Heilern über die Düsternis der Zeiten und die Unvollkommenheiten des Men schen, der niemals des Großen Chaos würdig sein könne. Da nach überquerte er die südlichen Berge des Losabu-Landes auf schwierigen, kleinen Pfaden.
    Als er nach Langladir gelangte, war der Sommer bereits älter geworden. In Langlava erfuhr er, daß vor einigen Zehntagen eine Karawane aus Cadhras gekommen und wieder abgereist war. Er erfuhr auch, daß sein Freund Barakuda nicht zurück nach Cadhras, sondern weiter zur Taggabahn geritten sei, und daß in den vergangenen hundert Tagen kein Kind mehr in den Wipfeln ersprossen war.
    Er wandte sich südwärts und durchquerte einen Ausläufer des Landes der Frauen von Zheziri, wo er ähnlich betrübli che Botschaften hörte.
    An einem kühlen Sommerabend traf er in den Bergen der Mitte, dort, wo die Bereiche von Golgit, Sa’orq, Zheziri und Kelgarla zusammenstoßen, Heilerinnen und Heiler, die seine Gedanken empfangen und sich dorthin begeben hatten.
    In der kalten Nacht der Berge berichtete Saravyi von dem, was er gesehen und dem, was er daraus geschlossen hatte. Die alten Shil lauschten und nickten bedächtig. Die Feuer brannten nieder, bis der schreckliche Beschluß feststand. Saravyi bestimmte einen Tag. »Wenn wir das Licht erhalten wollen, müssen wir in die Finsternis hinabsteigen«, sagte er. »Sind die Wege gangbar?«
    Die Heilerinnen und Heiler bestätigten dies. Saravyi blickte sie der Reihe nach an. Die alten Gesichter waren starr.
    Im fahlen Morgenlicht verließen die anderen den Ort der Sammlung. Saravyi blieb zurück, mit einer alten Frau aus den Bergen von Sa’orq.
    »Mutter«, sagte er. »Du weißt, was ich will?«
    Die Heilerin lehnte sich an den Felsen und sah in Saravy is Augen. »Die Bläser und Feuerspeier werden bereit sein.«
    Als auch sie gegangen war, stand Saravyi noch lange auf einem Felsvorsprung und blickte hinab. Die ausgedehnten, fruchtbaren Täler, die gewaltigen Berge, die Dörfer, weit im Osten und nicht sichtbar der Lysangrische Ozean. Shalga vervielfältigte sich strahlend in Millionen

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