Barakuda der Wächter 03 - Die Freihändler von Cadhras
mußte es innere wie äußere Signale dafür geben, und die Kundschafter des Protektorats in Gashiri hatten bisher nichts von inneren Änderungen berichtet. Oder es war eine politische Reaktion auf Pasdan, ein Einlenken angesichts der Tatsache, daß das Gouvernement in Cadhras schnell und hart reagiert hatte, daß Phantasie, Shiljäger und Commonwealthtruppen zusammen ein Blutbad verhindert, den Terror been det und damit den Sektierern in Gashiri indirekt ein Warnsi gnal gegeben hatten. ›Aber‹, dachte Saravyi, ›wozu dann eine Handelsdelegation zu den Taggashil statt einer diplomatischen Gesandtschaft nach Cadhras, nach Hastamek, nach Kelgarla und zu den anderen wichtigen Orten?‹ Oder gab es in Gashiri eine innere Notwendigkeit für forcierten Außenhandel nach Jahrhunderten der Isolation? Aber auch von Überproduktion oder Hunger war ihm nichts bekannt.
Er seufzte erneut und trat den Rest der Zigarette aus. Die Shil, die an nichts außer an das Große Chaos glaubten, neigten nicht zu der Annahme, große Dinge könnten aus reiner Freundlichkeit geschehen; ein ausbalanciertes System voneinander abhängiger Egoismen war dauerhafter als Gefühle. Große Versöhnungs- oder Weltumarmungsgefühle schloß Saravyi für Gashiri aus, weil er Realist war. Blieb ein Kal kül. Niemand wußte, wer in Gashiri entschied; es gab zweifellos Führungsgruppen oder -personen, aber sie waren anonym. Persönliche Rückschlüsse oder solche auf das Interesse einer kleinen Gruppe waren nicht zu ziehen. Der einzige greifbare Sinn, den Saravyi sah, war eine Form des Gewinns. Aber mit so kleinen Warenmengen zu so geringen Preisen ließen sich keine wesentlichen Gewinne erzielen, zumal im Tauschhandel.
Er erhob sich von dem Baumstamm, streichelte die Kinder zum Abschied und schlenderte zurück zum Flughafen. Die letzte Möglichkeit war also, daß die von Gashiri exportierten Dinge wichtig waren, daß Gashiri sehr daran interessiert war, diese Waren in Umlauf zu bringen. Er trat zu den gestapelten Kisten und Ballen, schloß die Augen und konzentrierte sich.
Als Zehnjähriger hatte er die Lehrzeit bei den Heilern der Banyashil begonnen; mit 15 war er bestauntes Wunderkind gewesen; als er 20 wurde und der alte Fürst der Banyashil starb, hatte man ihn zu dessen Nachfolger wählen wollen. Er hatte abgelehnt und sich seitdem bemüht, die Mechanismen zu erforschen, die das Leben, Handeln und Sterben von Menschen und Gruppen bestimmten, und mit besonderer Aufmerksamkeit hatte er die seltsamen Fremden von Pasdan, Gashiri und Banyadir beobachtet, soweit er sie indirekt beobachten konnte. Ohne seine Kenntnisse und Einfälle wäre es vielleicht ein Jahr zuvor doch zur großen, entsetzlichen Katastrophe gekommen, als die Heiligen Mütter von Pasdan sich aufmachten, die Welt nach ihrem Bild umzuformen. Er schaltete alle anderen Fähigkeiten ab, konzentrierte sich ganz auf die Gefühle, die geistigen Tastsinne des Heilers.
Einige Taggashil, die die noch nicht endgültig übernommenen Waren bewachten, beobachteten ihn aufmerksam. Saravyi war Legende; bereits ihre Großeltern hatten von ihm gesprochen. Nun sahen sie, wie der alte, weitgereiste Mann erstarrte. Sie alle hatten schon Heiler bei der Arbeit gesehen, wenn sie sich in den Leib eines Kranken hineinfühlten und ihre Kraft in die siechen Körperteile fließen ließen, damit diese selbst die Krankheit bekämpften. Aber Saravyis Konzentration war stärker, seine Erstarrung felsiger als alles, was sie je gesehen hatten. Sie traten lautlos zurück und bildeten einen Kreis, der jede Störung fernhielt.
Er berührte glattes, feines Tuch. Hauchdünn und kühl. Der analytische Teil seines Geistes sagte ihm, ehe er ihn ausschaltete, daß Gashiri über sehr feine Webmaschinen verfügen mußte, wie es sie nirgends sonst auf Shilgat gab. Allein dies war eine Besorgnis, denn feine Webmaschinen setzten ein ganzes Netz anderer feiner Techniken voraus, mit denen auch andere Dinge hergestellt werden konnten. Dann erlosch der Analyseteil.
Er empfand Eis und Schwärze. Etwas Fremdes, das sich entzog. Nicht fremd wie von einem anderen Stern, ungese hen, kaum faßbar, sondern furchteinflößend fremd wie etwas Be kanntes, Vertrautes, das bei grellem Licht plötzlich nie geahnte dämonische Züge entwickelt, die viel fremder sind als alles Fremde. Etwas völlig Neuartiges, nie zuvor Erblicktes oder auch nur Vorgestelltes kann unfaßbar sein, aber gleichzeitig weist es eine beruhigende Eigenschaft auf, nämlich
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