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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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wird es ja nicht gefehlt haben. Wer ist denn der Glückliche?«
»Du kennst ihn nicht. Er heißt Jacobo und ist ein Freund meines Onkels Gustavo. Leitender Angestellter in der Bank von Spanien. Wir haben uns bei einem Opernkonzert kennengelernt, das mein Onkel organisiert hat. Jacobo ist ein großer Opernliebhaber. Er ist älter als ich, aber wir sind sehr gute Freunde, und das ist doch das Wichtige, meinst du nicht auch?«
Mein Mund wollte Boshaftigkeiten von sich geben, aber ich biß mir auf die Zunge. Sie schmeckte nach Gift.
»Natürlich … Nun denn, herzlichen Glückwunsch.«
»Du wirst mir nie verzeihen, was, Daniel? Für dich werde ich immer Clara Barceló die Treulose sein.«
»Für mich wirst du immer Clara Barceló sein, Punktum. Auch das weißt du.«
Wieder trat eine dieser Pausen ein, die heimtückisch weiße Haare geben.
»Und du, Daniel? Fermín sagt, du hast eine wunderhübsche Freundin.«
»Ich muß jetzt einhängen, Clara, ein Kunde ist gekommen. Ich ruf dich diese Woche mal an, und wir sehen uns zum Kaffee. Noch einmal herzlichen Glückwunsch.«
Mit niedergeschlagenem Ausdruck und nicht sehr gesprächslustig kam mein Vater von seinem Kundenbesuch zurück. Während ich den Tisch deckte, machte er das Abendessen, ohne mich nach Fermín oder dem Tag in der Buchhandlung zu fragen. Beim Essen starrten wir auf unsere Teller und verschanzten uns hinter dem Geschwätz der Rundfunknachrichten. Mein Vater hatte kaum etwas zu sich genommen, nur in seiner wäßrigfaden Suppe gerührt, als suchte er auf dem Grund nach Gold.
»Du hast ja gar nichts gegessen«, sagte ich.
Er zuckte die Schultern. Das Radio bombardierte uns weiter mit Unsinn, und mein Vater stand auf und schaltete es aus.
»Was stand denn in dem Brief von der Armee?« fragte er schließlich.
»Ich trete in zwei Monaten meinen Dienst an.«
Ich hatte das Gefühl, sein Blick altere um zehn Jahre.
»Barceló sagt, durch Vitamin B werde er erreichen, daß man mich nach der Grundausbildung in den Militärbezirk Barcelona versetzt. So könnte ich sogar zu Hause übernachten.«
Mein Vater nickte kraftlos. Es tat mir weh, seinen Blick auszuhalten, und ich stand auf, um den Tisch abzuräumen. Er blieb sitzen, den Blick ins Unbestimmte gerichtet und die Hände unter dem Kinn gefaltet. Ich wollte eben das Geschirr spülen, als ich im Treppenhaus Schritte hörte. Zielstrebige, eilige Schritte, die den Stufen zusetzten und eine unheilvolle Botschaft verhießen. Ich schaute auf und wechselte einen Blick mit meinem Vater. Die Schritte hielten auf unserem Treppenabsatz inne. Unruhig stand mein Vater auf. Eine Sekunde später wurde mehrmals an die Tür gehämmert, und eine donnernde Stimme rief:
»Polizei! Aufmachen!«
Tausend Dolche drangen mir in den Kopf. Unter einer neuen Salve von Schlägen wankte die Tür. Mein Vater ging auf die Schwelle zu und klappte das Guckloch auf.
»Was wollen Sie um diese Zeit?«
»Entweder machen Sie auf, oder wir treten die Tür ein, Señor Sempere. Ich möchte es nicht wiederholen müssen.«
Es war Fumeros Stimme, und mir wurde eiskalt. Mein Vater warf einen forschenden Blick auf mich. Ich nickte. Mit einem unterdrückten Seufzer öffnete er. Im gelblichen Licht des Treppenhauses zeichneten sich die Gestalten von Fumero und seinen beiden Trabanten ab.
»Wo ist er?« rief Fumero, während er meinen Vater mit harter Hand wegschob und sich ins Eßzimmer drängte.
Mein Vater machte Anstalten, ihn zurückzuhalten, aber einer der beiden Polizisten, die dem Inspektor den Rücken deckten, packte ihn am Arm, drückte ihn gegen die Wand und hielt ihn so gefühllos und bestimmt fest wie eine dafür eingerichtete Maschine. Es war derselbe Mann, der Fermín und mir gefolgt war, derselbe, der mich festgehalten hatte, während Fumero vor dem Altenheim Santa Lucía meinen Freund zusammengeschlagen hatte, derselbe, der mich vor zwei Tagen beschattet hatte. Er warf mir einen leeren, unerforschlichen Blick zu. Ich trat zu Fumero, so ruhig, wie ich mich irgend geben konnte. Die Augen des Inspektors waren blutunterlaufen. Über seine linke Backe zog sich, gesäumt von trockenem Blut, eine frische Kratzwunde.
»Wo ist er?«
»Wer?«
Fumero blickte zu Boden, schüttelte den Kopf und murmelte etwas vor sich hin. Als er wieder aufschaute, waren seine Lippen zu einer Grimasse verzogen, und er hatte einen Revolver in der Hand. Ohne seine Augen von meinen abzuwenden, gab er der Blumenvase auf dem Tisch mit dem Kolben einen Schlag. Die Vase barst, die welken

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