Barcelona 01 - Der Schatten des Windes
verkaufen wir nur Bücher, wie Sie sehen.«
Der Mann trat dichter an den Ladentisch; dabei flatterte sein Blick dauernd im Geschäft umher und suchte manchmal meinen. Sein Aussehen und seine Haltung kamen mir irgendwie vertraut vor, obwohl ich nicht hätte sagen können, woher. Etwas an ihm ließ mich an eine der Figuren denken, die auf den Spielkarten in Antiquitätenläden oder bei Wahrsagern zu sehen sind. Er sah düster und aufbrausend aus wie ein Fluch im Sonntagsanzug.
»Wenn Sie mir sagen wollen, womit ich Ihnen dienen kann …«
»Ich bin es eher, der gekommen ist, um Ihnen einen Dienst zu erweisen. Sind Sie der Inhaber dieses Ladens?«
»Nein. Der Inhaber ist mein Vater.«
»Und der Name ist …?«
»Meiner oder der meines Vaters?«
Er lächelte gerieben.
»Ich werde mir also vorstellen, das Firmenschild Sempere und Söhne gilt für beide.«
»Sie sind sehr scharfsinnig. Darf ich fragen, welches der Grund Ihres Besuches ist, wenn Sie nicht an einem Buch interessiert sind?«
»Der Grund meines Besuchs, eines Höflichkeitsbesuchs, ist es, Ihnen mitzuteilen, daß mir zu Ohren gekommen ist, daß Sie beide mit anrüchigen Leuten Umgang pflegen, insbesondere mit Invertierten und Bösewichten.«
Ich schaute ihn verdutzt an.
»Wie bitte?«
Er bohrte seinen Blick in meinen.
»Ich rede von Schwulen und Gaunern. Sagen Sie nicht, Sie wissen nicht, wovon ich spreche.«
»Ich fürchte, ich habe nicht die leiseste Ahnung und auch nicht das geringste Interesse, Ihnen weiter zuzuhören.«
Er nickte, jetzt feindlich und zornig.
»Sie werden aber verdammt noch mal müssen. Ich nehme an, Sie sind auf dem laufenden über die Aktivitäten des Bürgers Federico Flaviá.«
»Don Federico ist der Uhrmacher des Viertels, ein vortrefflicher Mensch, und ich bezweifle sehr, daß er ein Übeltäter ist.«
»Ich sprach von Schwulen. Ich weiß genau, daß diese Schwuchtel in Ihrem Laden verkehrt, vermutlich, um Liebesromänchen und Pornographie zu kaufen.«
»Und darf ich Sie fragen, was Sie das angeht?«
Anstatt zu antworten, zog er seine Brieftasche hervor und legte sie offen auf den Ladentisch. Ich erkannte einen schmuddeligen polizeilichen Dienstausweis mit dem Gesicht des Mannes, als er noch etwas jünger war. Ich las bis zu den Worten ›Chefinspektor Francisco Javier Fumero Almuñiz‹.
»Junger Mann, mir gegenüber haben Sie Respekt zu zeigen, sonst stauche ich Sie und Ihren Vater zusammen, daß Ihnen die Haare ausfallen, weil Sie bolschewistischen Schund verkaufen. Ist das klar?«
Ich wollte eine Antwort geben, aber die Worte waren mir auf den Lippen eingefroren.
»Aber nun gut, es ist nicht dieser warme Bruder, was mich heute herführt. Der wird früher oder später auf dem Revier landen wie alle seines Schlages, und dann werde ich ihm schon Dampf machen. Was mir Sorge bereitet, ist, daß mir Berichte vorliegen, wonach Sie einen gemeinen Dieb beschäftigen, einen Schurken der übelsten Art.«
»Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen, Inspektor.«
Fumero lachte sein klebriges Lächeln.
»Weiß Gott, welchen Namen er sich jetzt zugelegt hat. Vor Jahren hat er sich Wilfredo Camagüey genannt, ein As des Mambo, und hat behauptet, Voodoospezialist, Tanzlehrer von Don Juan de Borbón und Geliebter von Mata Hari zu sein. Andere Male nimmt er Namen von Botschaftern, Varietékünstlern oder Stierkämpfern an. Wir haben den Überblick schon lange verloren.«
»Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht helfen kann, aber ich kenne niemand namens Wilfredo Camagüey.«
»Gewiß nicht, aber Sie wissen, wen ich meine, nicht wahr?«
»Nein.«
»Sie komplizieren die Dinge gern, wie? Schauen Sie, ich bin als Freund gekommen, um Sie zu benachrichtigen und zu warnen, daß, wer einen Lumpen bei sich aufnimmt, sich am Ende selber die Finger verbrennt, und Sie behandeln mich als Lügner.«
»Keineswegs. Ich danke Ihnen für Ihren Besuch und Ihre Warnung, aber ich versichere Ihnen, daß wir nicht …«
»Erzählen Sie mir keinen Scheiß – wenn’s mich ankommt, geb ich Ihnen eine in die Fresse und mach die Bude hier dicht, kapiert? Aber heute bin ich gut gestimmt, also lass ich Sie mit der Warnung allein. Sie müssen wissen, welche Gesellschaft Sie wählen. Wenn Sie Schwule und Diebe mögen, dann haben Sie wohl selber von beiden etwas. Für mich müssen die Dinge klar sein. Entweder Sie sind auf meiner Seite oder gegen mich. So ist das Leben. Wie verbleiben wir also?«
Ich sagte nichts. Fumero nickte und lächelte wieder.
»Sehr gut, Sempere. Wie Sie wollen.
Weitere Kostenlose Bücher