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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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Werbepausen mit Anekdoten seiner Abenteuer in Havanna. Die Ladentür stand offen, und ein süßer Duft nach frisch gebackenem Brot und Kaffee drang herein. Nach einer Weile blieb unsere Nachbarin Merceditas, die vom Einkaufen auf dem Boquería-Markt zurückkam, vor unserem Schaufenster stehen und schaute zur Tür herein.
    »Morgen, Señor Sempere«, flötete sie.
    Errötend lächelte ihr mein Vater zu. Ich hatte immer den Eindruck, die Merceditas gefiel ihm, aber sein Kartäuserethos erlegte ihm eisernes Schweigen auf. Fermín betrachtete sie aus dem Augenwinkel und verfolgte das sanfte Wiegen ihrer Hüften, als wäre eben ein Baiser zur Tür hereingekommen. Die Merceditas griff in eine Papiertüte und beschenkte uns mit drei glänzenden Äpfeln. Ich stellte mir vor, daß sie noch immer daran dachte, in der Buchhandlung zu arbeiten, und ihre Antipathie gegen Fermín, den Eindringling, nur mit Mühe verbergen konnte.
    »Schauen Sie, wie schön. Ich habe sie gesehen und gedacht: Die sind für die Herrschaften Sempere«, sagte sie in affektiertem Ton. »Ich weiß doch, daß Sie als Intellektuelle Äpfel mögen, wie Isaac New York.«
    »Isaac Newton, mein Herzchen«, präzisierte Fermín emsig.
Die Merceditas warf ihm einen tödlichen Blick zu.
»Sieh an, der Klugscheißer. Seien Sie dankbar, daß ich Ihnen ebenfalls einen Apfel mitgebracht habe und nicht eine bittere Pampelmuse, wie Sie sie verdient haben.«
»Aber meine Liebe, wo mir doch die Spende, die ich aus Ihren jungfräulichen Händen in Form dieses Apfels empfange, der Frucht der Erbsünde, das Hautgeflecht entflammt …«
»Fermín, ich bitte Sie«, schnitt ihm mein Vater das Wort ab.
»Jawohl, Señor Sempere.«
Die Merceditas wollte eben zu einer Antwort ansetzen, als von der Straße empörtes Gezeter hereindrang. Wir verstummten erwartungsvoll. Vorsichtig streckte die Merceditas den Kopf zur Tür hinaus. Wir sahen mehrere Händler mit aufgeregtem Kopfschütteln vorbeigehen. Gleich darauf erschien Don Anacleto Olmo, Nachbar und offiziöser Sprecher der Königlichen Akademie der Sprache in unserem Haus. Er war Gymnasiallehrer, hatte spanische Literatur und alte Sprachen studiert und teilte seine Wohnung im zweiten Stock mit sieben Katzen. In den nicht von seiner Lehrtätigkeit beanspruchten Stunden betätigte er sich als Kolumnist eines angesehenen Zeitungsverlages und dichtete, wie man munkelte, alterserotische Verse, die er unter dem Pseudonym Raúl de Kock publizierte. Im persönlichen Umgang war Don Anacleto ein leutseliger Mann, in der Öffentlichkeit jedoch fühlte er sich verpflichtet, die Rolle des Rhapsoden zu spielen, und befleißigte sich einer hochbarocken Ausdrucksweise.
An diesem Morgen kam er mit kummerpurpurnem Gesicht daher, und seine Hände am Elfenbeinstock zitterten ein wenig. Neugierig starrten wir ihn alle vier an.
»Was ist denn, Don Anacleto?« fragte mein Vater.
»Franco ist gestorben, sagen Sie schon ja«, bemerkte Fermín hoffnungsfroh.
»Halten Sie den Mund, Sie roher Mensch«, herrschte ihn die Merceditas an, »und lassen Sie den Herrn Doktor sprechen.«
Don Anacleto holte tief Atem, und nachdem er wieder zu seinem gesetzten Wesen gefunden hatte, erstattete er uns Bericht.
»Meine Freunde, das Leben ist ein Drama, und selbst den erhabensten Geschöpfen des Herrn bleibt es nicht erspart, die Bitterkeit eines launigen Schicksals zu kosten. Gestern abend, nach Mitternacht bereits, ist unser geschätzter Nachbar Don Federico Flaviá i Pujades von den staatlichen Sicherheitskräften inhaftiert worden.«
Ich spürte, wie mir das Herz in die Hose rutschte.
»Jesus, Maria und Josef«, sagte die Merceditas.
Fermín schnaubte enttäuscht – offensichtlich erfreute sich das Staatsoberhaupt nach wie vor einer ausgezeichneten Gesundheit. Don Anacleto holte abermals Luft und fuhr fort:
»Anscheinend haben, nach einer Schilderung aus glaubhafter Quelle, zwei Mitglieder der Kriminalpolizei in Zivil gestern kurz nach Mitternacht Don Federico dabei ertappt, wie er als Matrone verkleidet auf der Bühne einer Kaschemme in der Calle Escudellers vor einem offenbar aus Geistesschwachen bestehenden Publikum Couplets mit pikantem Text intonierte. Diese elenden Geschöpfe, die am selben Abend aus dem Armenhaus eines religiösen Ordens entwischt waren, hatten sich im Taumel des Spektakels die Hose heruntergelassen, um schamlos und händeklatschend mit aufgerichtetem Nachtschattengewächs und geiferndem Maul zu schwofen.«
Bei dieser schlüpfrigen Wendung,

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