Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
ausschließlich der Name eines römischen Konsuls.«
Dennoch fühlte sich Don Basilio offensichtlich wohl in seinem neuen Zuhause, und er sah sogar gesünder aus als früher.
»Sagen Sie nicht, Sie seien gekommen, weil Sie Arbeit suchen – ich bin imstande und gebe Ihnen welche«, drohte er.
»Ich danke Ihnen, Don Basilio, aber Sie wissen ja, dass ich den Beruf an den Nagel gehängt habe und dass Journalismus nicht meine Sache ist.«
»So sagen Sie schon, wie Ihnen dieser alte Brummbär helfen kann.«
»Ich brauche für eine Geschichte, an der ich arbeite, Informationen zu einem alten Fall – dem Tod eines renommierten Anwalts namens Marlasca, Diego Marlasca.«
»Und von welchem Jahr ist die Rede?« »1904.«
Don Basilio stieß einen Pfiff aus. »Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt! Seither ist viel Wasser den Ebro hinuntergeflossen.«
»Nicht genug, um die Sache reinzuwaschen.«
Don Basilio legte mir die Hand auf die Schulter und bedeutete mir, ihm in die Redaktion zu folgen.
»Keine Sorge, hier sind Sie goldrichtig. Diese guten Leute führen ein Archiv, nach dem sich der Vatikan alle zehn Finger lecken würde. Falls etwas durch die Presse ging, finden wir es. Und zudem ist der Chefarchivar ein guter Freund von mir. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass ich neben ihm Schneewittchen bin. Lassen Sie sich von seiner etwas widerborstigen Art nicht einschüchtern. Im Grunde, ganz tief drinnen, ist er ein gutmütiger Kerl.«
Ich folgte ihm durch die große, mit edlen Hölzern ausgekleidete Vorhalle. Auf der einen Seite tat sich ein runder Saal mit einem runden Tisch und einer Reihe Bilder auf, von denen herab uns ernst dreinblickende Aristokraten betrachteten.
»Der Raum der Hexensabbate«, erklärte Don Basilio. »Da treffen sich täglich um sieben Uhr abends die Ressortchefs und der stellvertretende Chefredakteur, also meine Wenigkeit, und der Chef, und sitzen wie die Ritter der Tafelrunde um den Heiligen Gral herum.«
»Beeindruckend.«
»Sie haben noch gar nichts gesehen. Kommen Sie, nehmen Sie alles unter die Lupe.«
Don Basilio trat unter eines der erlauchten Porträts und drückte auf die Holztäfelung. Sie gab knarrend nach und den Zugang zu einem verborgenen Korridor frei.
»Na, was sagen Sie nun, Martín? Und das ist nur einer der vielen Geheimgänge des Hauses. Nicht einmal die Borgia hatten einen Schuppen wie diesen.«
Ich folgte ihm durch den Gang zu einem großen Lesesaal. Rundherum standen verglaste Vitrinen – die Geheimbibliothek der Vanguardia. Ganz hinten im Saal erkannte man im Lichtkegel einer grünlichen Lampe einen Mann mittleren Alters, der an einem Tisch saß und mit der Lupe ein Dokument studierte. Als er uns eintreten hörte, sah er auf und schenkte uns einen Blick, der jeden Minderjährigen oder Hasenfuß versteinert hätte.
»Darf ich vorstellen – Don José Maria Brotons, Herr der Unterwelt und der Katakomben dieses geweihten Hauses«, verkündete Don Basilio.
Ohne die Lupe wegzulegen, schaute mich Brotons mit seinen sengenden Augen an. Ich trat zu ihm und reichte ihm die Hand.
»Das ist mein ehemaliger Zögling David Martín.«
Brummelnd drückte mir Brotons die Hand und sah zu Don Basilio auf.
»Das ist der Schriftsteller?«
»Höchstselbst.«
Brotons nickte.
»Doch, doch, der hat Mut, nach der Abreibung, die er bekommen hat, noch aus dem Haus zu gehen. Was sucht er hier?«
»Ihre Hilfe, Ihren Segen und Rat bei einer hoch wichtigen Ermittlung im Bereich der Dokumentar-Archäologie«, erklärte Don Basilio.
»Und wo bleibt das Blutopfer?«
Ich musste schlucken. »Blutopfer?«, fragte ich.
Brotons schaute mich an wie einen Schwachsinnigen.
»Eine Ziege, ein Lämmlein, ein Kapaun, wenn Sie es genau wissen wollen …«
Ich verstand überhaupt nichts. Brotons starrte mich einen endlosen Moment lang an, ohne zu blinzeln. Dann, als mich schon der Schweiß am Rücken zu jucken begann, brachen der Archivleiter und Don Basilio in Gelächter aus. Ich ließ sie auf meine Kosten lachen, bis sie beinahe erstickten und sich die Tränen aus den Augen wischten. Es war nicht zu übersehen – in seinem neuen Kollegen hatte Don Basilio eine Zwillingsseele gefunden.
»Hier entlang, junger Mann«, sagte Brotons, während sich sein wildes Gesicht glättete. »Sehen wir doch mal, was wir finden.«
28
Das Archiv befand sich in einem Kellergelass des Gebäudes, einen Stock tiefer als die große Rotationsmaschine, eine postviktorianische Ausgeburt der Technik, die aussah wie
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