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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Fläche beobachtete sie mich mit offenen Augen und wogendem Haar. Ich hämmerte auf das Eis ein, bis meine Hände wund waren, vergebens. Cristina ließ mich keinen Moment aus den Augen. Sie legte ihre Hand ans Eis und lächelte. Schon entstiegen ihrem Mund die letzten Luftblasen, und die Pupillen weiteten sich ein letztes Mal. Einen Moment später versank sie langsam für immer in der Schwärze.
     

11
    Ich ging nicht ins Hotel zurück, um meine Sachen zu holen. Verborgen zwischen den Bäumen, die den See umstanden, sah ich, wie der Arzt und zwei Zivilgardisten das Hotel betraten und sich, wie ich durchs Fenster erkennen konnte, mit dem Portier unterhielten. Durch dunkle, menschenleere Straßen schlich ich mich zum nebelverhüllten Bahnhof. Im Licht von zwei Gaslaternen sah man die Umrisse eines am Bahnsteig stehenden Zuges, rot getönt von dem an der Ausfahrt leuchtenden Signal. Die Lokomotive stand still, am Gestänge und den Hebeln hingen Eiszapfen wie Gelatinetropfen. Die Wagen waren dunkel, die Fenster von Raureif verschleiert. Im Büro des Bahnhofsvorstehers brannte ebenfalls kein Licht. Es dauerte noch Stunden bis zur Abfahrt des Zuges, und der Bahnhof lag verlassen da.
    Ich trat zu einem der Wagen und versuchte die Tür zu öffnen, aber sie war verschlossen. Über die Gleise ging ich um den Zug herum, kletterte im Schatten auf die Plattform zwischen den beiden hintersten Wagen und versuchte mein Glück bei einer dieser Türen. Sie war offen. Ich schlüpfte in den Wagen und ins erstbeste Abteil. Dort schob ich von innen den Riegel vor. Zitternd vor Kälte, ließ ich mich auf den Sitz fallen. Ich wagte die Augen nicht zu schließen, vor lauter Angst, Cristinas Blick unter dem Eis zu begegnen. Minuten vergingen, vielleicht Stunden. Irgendwann fragte ich mich, warum ich mich eigentlich versteckte und warum ich nichts empfand.
    Während ich in dieser Leere wartete, hörte ich das tausendfache Jammern von Metall und Holz, die sich in der Kälte zusammenzogen. Ich spähte ins Dunkel vor dem Fenster hinaus, bis das Licht einer Laterne über die Wagenwände strich und ich auf dem Bahnsteig Stimmen hörte. Ich rieb ein Guckloch in die beschlagene Scheibe und sah den Lokführer und zwei Arbeiter zum vorderen Teil des Zuges gehen. In einer Entfernung von zehn Metern unterhielt sich der Bahnhofsvorsteher mit den beiden Zivilgardisten, die ich zuvor mit dem Arzt im Hotel gesehen hatte. Er nickte und zog einen Schlüsselbund hervor, während er mit den beiden Gardisten auf den Zug zukam. Ich zog mich wieder tief in mein Abteil zurück. Einige Sekunden später hörte ich die Schlüssel klirren und die Wagentür klacken. Vom Ende des Gangs näherten sich Schritte. Ich schob den Riegel zurück, sodass die Tür unverschlossen war, und legte mich unter einer der Bänke auf den Boden, dicht an die Wand geschmiegt. Die Schritte der Gardisten kamen näher, während das Licht ihrer Laternen bläulich über die Scheiben des Wagens glitt. Als sie vor meinem Abteil haltmachten, hielt ich den Atem an. Die Stimmen waren verstummt. Ich hörte die Tür aufgehen, und die Stiefel bewegten sich zwei Handbreit vor meinem Gesicht. Der Gardist blieb einige Sekunden stehen, ging dann wieder hinaus und schloss die Tür. Seine Schritte entfernten sich.
    Ich blieb reglos liegen. Zwei Minuten später hörte ich ein Rattern, und ein warmer Hauch aus dem Heizungsrost strich mir übers Gesicht. Eine Stunde später erhellte das erste Morgenlicht die Scheiben. Ich verließ mein Versteck und schaute hinaus. Fahrgäste schleppten allein oder zu zweit ihre Koffer und Bündel über den Bahnsteig. Der Lärm der Lokomotive ließ Wände und Boden vibrieren. Wenige Minuten später stiegen die Passagiere ein, und der Schaffner knipste das Licht an. Ich setzte mich wieder ans Fenster und erwiderte den Gruß eines Fahrgastes, der am Abteil vorbeiging. Mit dem Acht-Uhr-Schlag der großen Bahnhofsuhr setzte sich der Zug in Bewegung. Erst jetzt schloss ich die Augen. In der Ferne hörte ich die Kirchenglocken widerhallen wie einen Fluch.
     
    Die Rückfahrt verzögerte sich durch mehrere ungeplante Unterbrechungen, und wir kamen erst in der Abenddämmerung jenes Freitags, des 23. Januars, in Barcelona an. Die Stadt lag unter einem scharlachroten Himmel, über den sich ein Geflecht schwarzen Rauchs zog. Es war warm, als ob sich der Winter unversehens zurückgezogen hätte und schmutzig-feuchte Ausdünstungen aus der Kanalisation aufstiegen. Unter meiner Haustür fand

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