Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
Vom Netzwerk:
Boden aus, und ich wandte mich abrupt um, die Pistole im Anschlag. Der hoch aufgeschossene Mieter schaute mich einigermaßen verdutzt an.
    »Ich glaube, Sie kriegen Gesellschaft«, sagte er knapp.
    Ich trat auf den Korridor hinaus und ging zur Wohnungstür. Als ich ins Treppenhaus hinabschaute, hörte ich schwere Schritte heraufkommen. Zwei Stockwerke tiefer wurde ein emporschauendes Gesicht erkennbar, und mein Blick traf den von Marcos. Er zog den Kopf zurück, und die Schritte beschleunigten sich. Er war nicht allein. Ich schloss die Tür, stemmte mich dagegen und versuchte gleichzeitig zu überlegen. Der Mieter beobachtete mich ruhig, aber gespannt.
    »Gibt es außer dieser Tür noch einen anderen Ausgang?«, fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Der Ausgang aufs Dach?«
    Er zeigte auf die Tür, die ich gerade geschlossen hatte. Einen Augenblick später spürte ich, wie Marcos und Castelo sich gegen sie warfen. Ich entfernte mich rückwärts durch den Flur, die Waffe auf die Tür gerichtet.
    »Ich geh für alle Fälle schon mal in mein Zimmer«, sagte der Mieter. »Es war mir ein Vergnügen.«
    »Ganz meinerseits.«
    Ich starrte auf die Tür, die gewaltig erbebte. Um Angeln und Schloss begann das alte Holz zu splittern. Ich ging ans Ende des Korridors und öffnete das Fenster zum Lichtschacht. Ein vertikaler Tunnel, etwa einen mal anderthalb Meter groß, verlor sich in den Schatten. Etwa drei Meter über dem Fenster war der Rand des flachen Dachs zu erkennen. An der gegenüberliegenden Wand des Lichtschachts war ein Abwasserrohr mit verrosteten Ringen befestigt. Die eiternde Feuchtigkeit hatte die Mauer schwarz gesprenkelt. Noch immer donnerten die Schläge in meinem Rücken. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass die Tür praktisch aus den Angeln gehoben war. Es blieben mir höchstens noch ein paar Sekunden. Ich hatte keine andere Wahl, kletterte durchs Fenster und sprang.
    Ich schaffte es, mich an der Rohrleitung festzuhalten und einen Fuß auf einen der Ringe zu stellen. Ich streckte die Hand aus und packte das Rohr weiter oben, aber sowie ich kräftig daran zog, löste sich ein meterlanges Stück unter meinen Händen und schepperte in die Tiefe des Lichtschachts. Beinahe wäre ich mitgestürzt, aber ich konnte mich an das Metallstück klammern, mit dem der Ring in der Mauer verankert war. Jetzt war die Rohrleitung, auf die ich gesetzt hatte, um aufs Dach zu klettern, ganz außer Reichweite. Es gab nur zwei Möglichkeiten: wieder auf den Korridor zurück, wo jeden Moment Marcos und Castelo eindringen würden, oder in diesen schwarzen Schacht hinuntersteigen. Ich hörte die Tür gegen die Wand in der Wohnung krachen und ließ mich langsam an der Rohrleitung hinabgleiten, wobei ich mich, so gut es ging, festhielt und mir kräftig die linke Hand aufschürfte. Ich hatte bereits anderthalb Meter geschafft, als sich die Silhouetten der beiden Polizisten im Licht des Schachtfensters abzeichneten. Marcos’ Gesicht schaute als erstes in den Schacht. Er grinste, und ich fragte mich, ob er ohne Federlesens gleich auf mich schießen würde. Da erschien Castelo neben ihm.
    »Bleib du hier. Ich geh in die Wohnung hier drunter«, befahl Marcos.
    Castelo nickte und ließ mich nicht aus den Augen. Sie wollten mich lebendig, wenigstens für ein paar Stunden. Ich hörte Marcos’ Schritte davoneilen. Im nächsten Augenblick würde ich ihn knapp einen Meter unter mir aus dem Fenster schauen sehen. Ein Blick nach unten zeigte mir, dass aus den Fenstern der ersten beiden Stockwerke Licht drang, während das des dritten dunkel war. Langsam ließ ich mich weiter hinabgleiten, bis mein Fuß auf dem nächsten Ring Halt fand. Vor mir lagen das dunkle Fenster des dritten Stocks und ein leerer Korridor, an dessen Ende Marcos an die Tür klopfte. Um diese Zeit war das Konfektionsatelier bereits geschlossen und niemand mehr da. Die Schläge an die Tür verstummten, und ich begriff, dass Marcos in den zweiten Stock hinuntergelaufen war. Ich sah nach oben, wo mich Castelo weiterhin beobachtete und sich wie eine Katze die Lippen leckte.
    »Fall nicht runter – wir wollen uns noch mit dir amüsieren«, sagte er.
    Ich hörte Stimmen im zweiten Stock – man hatte Marcos also geöffnet. Ohne lange zu überlegen, warf ich mich mit aller Kraft gegen das Fenster des dritten. Gesicht und Hals mit den Mantelärmeln schützend, stürzte ich durch die Scheibe und landete in einem See aus Scherben. Mühsam rappelte ich mich auf, und im Halbdunkel sah

Weitere Kostenlose Bücher