Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
ich, dass sich auf meinem linken Ärmel ein dunkler Fleck ausbreitete. Eine Scherbe scharf wie ein Dolch ragte mir oberhalb des Ellbogens aus dem Arm.
Als ich sie herauszog, wich die Kälte einer Lohe aus Schmerz, die mich in die Knie zwang. In dieser Haltung sah ich, dass mir Castelo durch den Lichtschacht gefolgt war und mich jetzt von dort beobachtete, wo ich abgesprungen war. Noch bevor ich die Waffe ziehen konnte, machte er einen Satz aufs Fenster zu. Seine Hände klammerten sich am Rahmen der zerbrochenen Scheibe fest, und in einer Reflexbewegung warf ich mich mit meinem ganzen Gewicht gegen diesen Rahmen. Mit einem trockenen Knacken brachen seine Fingerknochen, sodass er vor Schmerz aufheulte. Ich zog die Pistole und zielte auf sein Gesicht, aber er hatte bereits gemerkt, dass seine Hände vom Rahmen glitten. Ein schreckerfüllter Blick, dann stürzte er in den Schacht, wobei er gegen die Wände prallte und in den Lichtflecken vor den Fenstern der unteren Stockwerke Blutspuren hinterließ.
Ich schleppte mich durch den Korridor zur Tür. Die Wunde am Arm pochte heftig, und ich merkte, dass ich auch an den Beinen mehrere Schnitte hatte. Ich wankte weiter. Links und rechts taten sich im Halbdunkel Räume mit Nähmaschinen, Fadenspulen und großen Tuchrollen auf Tischen auf. Als ich die Tür erreichte, legte ich die Hand auf den Knauf. Eine Zehntelsekunde später spürte ich, wie er sich unter meinen Fingern drehte. Ich ließ ihn los. Auf der anderen Seite stand Marcos und versuchte, die Tür zu öffnen. Ich zog mich ein paar Schritte zurück. Da schüttelte ein Krachen die Tür, und in einer Wolke von Funken und blauem Rauch flog ein Teil des Schlosses in die Luft. Marcos versuchte, es aufzuschießen. Ich flüchtete mich in den ersten Raum, der voll mit arm- und beinlosen Figuren war -aneinandergelehnte Schaufensterpuppen. Ich glitt zwischen die im Dämmerlicht glänzenden Torsi. Dann hörte ich einen zweiten Schuss. Die Tür sprang auf. Das gelbliche, im Pulverdampf gefangene Licht des Treppenabsatzes fiel in die Wohnung. Marcos’ Körper erschien als scharf gezeichneter Schattenriss in der Helligkeit. Seine schweren Schritte hallten durch den Korridor. Hinter den Puppen verborgen, drängte ich mich an die Wand, die Pistole in den zittrigen Händen.
»Kommen Sie raus, Martín«, sagte Marcos ganz ruhig, während er langsam weiterging. »Ich tu Ihnen nichts. Ich habe Anweisung von Grandes, Sie ins Präsidium zu bringen. Wir haben diesen Kerl gefunden, Marlasca. Er hat alles gestanden. Sie haben eine saubere Weste. Machen Sie jetzt keine Dummheiten. Kommen Sie raus, und im Präsidium besprechen wir alles.«
Ich sah ihn an der Tür vorbei- und weitergehen.
»Martín, hören Sie mir zu. Grandes ist unterwegs. Wir können das alles klären, ohne die Dinge noch komplizierter zu machen.«
Ich spannte die Pistole. Marcos’ Schritte blieben stehen. Ein Schleifen auf den Fliesen. Er war auf der anderen Seite der Wand und wusste genau, dass ich mich in diesem Raum befand und dass für mich kein Weg an ihm vorbeiführte. Ich sah, wie sich in der Tür seine Gestalt langsam aus den Schatten löste, dann aber mit dem Halbdunkel verschmolz, sodass nur der Glanz seiner Augen von seiner Anwesenheit zeugte. Er war noch knapp vier Meter von mir entfernt. Ich glitt an der Wand in die Knie. Hinter den Puppen erschienen Marcos’ Beine.
»Ich weiß, dass Sie hier sind, Martín. Lassen Sie die Kindereien.«
Er blieb stehen. Ich sah, wie er niederkniete und die Blutspur betastete, die ich hinterlassen hatte. Er hielt sich einen Finger an die Lippen. Ich stellte mir sein Grinsen vor.
»Sie bluten stark, Martín. Sie brauchen einen Arzt. Kommen Sie raus, und ich geh mit Ihnen zu einer Ambulanz.«
Ich schwieg weiterhin. Marcos blieb vor einem Tisch stehen und griff nach einem blitzenden Gegenstand zwischen den Stofffetzen. Eine große Zuschneideschere.
»Ganz wie Sie wollen, Martín.«
Ich hörte, wie er die Schere klackend öffnete und schloss. Ein stechender Schmerz fuhr durch meinen Arm, und ich biss mir auf die Lippen, um nicht aufzuheulen. Marcos drehte das Gesicht in meine Richtung.
»Da wir schon von Blut sprechen, werden Sie sicher gern hören, dass wir Ihre kleine Hure haben, diese Isabella, und dass wir uns, bevor wir mit Ihnen loslegen, für sie Zeit nehmen werden …«
Ich hob die Waffe und zielte auf sein Gesicht. Der Glanz des Metalls verriet mich. Marcos warf sich auf mich, stieß dabei die Puppen um und
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