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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Ruhe gebettet habe und sich allen Bemühungen des Bistums zum Trotz zu sterben weigere und die Dinge weiterhin auf seine Weise erledige. Ein Jahr später, wenige Tage vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs, habe Isabella einen Sohn geboren, dem sie den Namen Daniel gaben. Die schrecklichen Kriegsjahre hätten mannigfaltige Not gebracht, und kurz nach Kriegsende, in dem schwarzen, verfluchten Frieden, der Himmel und Erde auf immer vergiften sollte, habe Isabella die Cholera bekommen und sei in der Wohnung über der Buchhandlung in den Armen ihres Mannes gestorben. Sie sei an Daniels viertem Geburtstag im Regen auf dem Montjuic beigesetzt worden. Zwei Tage und zwei Nächte habe der Regen angehalten, und als der Kleine seinen Vater gefragt habe, ob der Himmel weine, habe die Stimme des Vaters versagt.
    Den an David adressierten Brief hatte Isabella in den letzten Tagen ihres Lebens geschrieben. Ihr Mann hatte ihr schwören müssen, ihn mir zukommen zu lassen, sobald er etwas über meinen Aufenthaltsort erführe.
     
    Lieber David,
    manchmal scheint mir, ich hätte schon vor Jahren begonnen, Ihnen diesen Brief zu schreiben, und sei noch immer nicht imstande, ihn zu beenden. Seit ich Sie zum letzten Mal gesehen habe, ist vieles geschehen, viel Schreckliches und Elendes, und doch gibt es keinen Tag, an dem ich nicht an Sie denke und mich frage, wo Sie wohl sind, ob Sie Frieden gefunden haben, ob Sie schreiben, ob Sie ein alter Brummbär geworden sind, ob Sie verliebt sind oder ob Sie sich an uns erinnern, an die kleine Buchhandlung Sempere und Söhne und an die schlechteste Assistentin, die Sie je hatten.
    Ich fürchte, Sie sind gegangen, ohne mir das Schreiben beigebracht zu haben, und ich weiß nicht, wo ich beginnen soll, um alles in Worte zu fassen, was ich Ihnen mitteilen möchte. Sie sollen wissen, dass ich glücklich gewesen bin, dass ich dank Ihnen einen Mann gefunden habe, den ich liebe und der mich liebt, und dass wir zusammen einen Sohn bekommen haben, Daniel, dem ich immer von Ihnen erzähle und der meinem Leben einen Sinn gegeben hat, den sämtliche Bücher der Welt auch nicht ansatzweise erklären könnten.
    Niemand weiß es, aber noch heute gehe ich manchmal zu dieser Mole, wo ich Sie für immer habe abfahren sehen, und setze mich eine Weile hin, allein, um zu warten, als glaubte ich daran, dass Sie zurückkommen würden. Täten Sie es, so sähen Sie, dass es trotz allem, was geschehen ist, die Buchhandlung noch gibt, dass das Grundstück des ehemaligen Hauses mit dem Turm nach wie vor brachliegt, dass alle Lügen, die über Sie im Umlauf waren, vergessen sind und dass es in diesen Straßen so viele Menschen mit blutbesudelter Seele gibt, dass sie sich nicht einmal mehr zu erinnern wagen, und wenn sie es doch tun, belügen sie sich selbst, weil sie nicht in den Spiegel schauen können. In der Buchhandlung verkaufen wir weiterhin Ihre Bücher, aber unter der Hand, denn jetzt sind sie für unmoralisch erklärt worden, und es gibt mehr Leute im Land, die Bücher vernichten und verbrennen wollen, als solche, die sie lesen möchten. Es sind schlechte Zeiten, und manchmal denke ich, es kündigen sich noch schlechtere an.
    Mein Mann und die Ärzte glauben, sie können mich täuschen, aber ich weiß, dass mir nur noch wenig Zeit bleibt. Ich weiß, dass ich bald sterbe und dass ich nicht mehr da bin, wenn Sie diesen Brief bekommen. Daher wollte ich Ihnen schreiben, weil Sie wissen sollen, dass ich keine Angst habe, dass mein einziger Kummer der ist, einen guten Mann, der mir das Leben geschenkt hat, und meinen Daniel allein in einer Welt zurückzulassen, die, wie mir scheint, täglich mehr so ist, wie Sie sie beschrieben haben, als so, wie ich sie mir gewünscht hätte.
    Ich wollte Ihnen schreiben, damit Sie wissen, dass ich trotz allem gelebt habe und dankbar bin für die Zeit, die ich hier verbracht habe, dankbar, Sie kennengelernt zu haben und Ihre Freundin gewesen zu sein. Ich wollte Ihnen schreiben, weil ich möchte, dass Sie sich an mich erinnern, und sollten Sie eines Tages jemanden haben wie ich meinen kleinen Daniel, müssen sie ihm von mir erzählen und mich in Ihren Worten für immer weiterleben lassen.
    In Liebe
    Isabella
     
    Einige Tage nachdem ich diesen Brief bekommen hatte, wurde ich gewahr, dass ich nicht allein am Strand war.
    Ich spürte seine Anwesenheit in der Morgenbrise, aber ich wollte und konnte nicht mehr fliehen. Es geschah eines Abends, als ich mich zum Schreiben ans Fenster gesetzt hatte und

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