Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
weitere Hunde starrten mich lautlos an. Einer hatte sich im Schatten des Pförtnerhäuschens neben dem Eingang auf leisen Pfoten genähert. Der andere, der größte der drei, war auf die Mauer gesprungen und behielt mich aus nur zwei Meter Entfernung im Auge. Zwischen den entblößten Reißzähnen sah man den Dunst seines Atems. Ich zog mich ganz langsam zurück, ohne den Blick von ihm abzuwenden. Schritt für Schritt näherte ich mich dem gegenüberliegenden Gehsteig. Ein weiterer der Hunde war auf die Mauer gesprungen und verfolgte mich mit den Augen. Ich suchte den Boden nach einem Stock oder Stein ab, um mich zu verteidigen, falls sie herunterzuspringen und über mich herzufallen beschlossen, aber außer verdorrten Blättern fand ich nichts. Ich wusste, dass mir die Tiere nachsetzen würden, sollte ich den Blick abwenden und losrennen, und dass ich keine zwanzig Meter weit käme, bevor sie sich auf mich stürzen und mich in Stücke reißen würden. Der größte trippelte auf der Mauer ein paar Meter weiter, und ich war überzeugt, dass er springen würde. Der dritte, der, den ich als ersten gesehen und der möglicherweise als Köder gedient hatte, sprang auf die Mauer, wo sie am niedrigsten war, um sich den beiden anderen zuzugesellen. Ich bin geliefert, dachte ich.
Da fiel ein Lichtschein auf die Wolfsgesichter der drei Tiere, die abrupt innehielten. Ich schaute nach links und sah in fünfzig Meter Entfernung eine kleine Erhebung. Die Lichter des Hauses darauf waren angegangen, die einzigen am ganzen Hang. Eines der Tiere gab ein dumpfes Winseln von sich und zog sich ins Parkinnere zurück. Einen Augenblick später folgten ihm die beiden anderen.
Ohne lange zu überlegen, ging ich auf das Haus zu. Genau wie von Corelli in seiner Einladung beschrieben, stand es an der Calle Olot, Ecke Calle San José de la Montana. Es war ein schlanker, verwinkelter, turmförmiger Bau mit drei Stockwerken und von Mansarden gekrönt, der wie eine Schildwache auf die Stadt und den geisterhaften Park hinabschaute.
Das Haus stand oben am Ende einer steilen Treppe, die zum Eingang führte. Aus seinen Fenstern drang goldenes Licht. Je weiter ich die steinernen Stufen hinanstieg, desto deutlicher glaubte ich auf einer Balustrade im zweiten Stock eine Silhouette zu erkennen, unbeweglich wie eine in ihrem Netz hockende Spinne. Auf der letzten Stufe blieb ich stehen, um Atem zu schöpfen. Die Eingangstür war nur angelehnt, und ein Lichtfleck reichte bis an meine Füße. Langsam trat ich näher und blieb auf der Schwelle stehen. Ein Geruch nach verwelkten Blumen drang heraus. Ich klopfte an, und die Tür öffnete sich einige Zentimeter. Vor mir lagen ein Vorzimmer und ein langer, ins Haus hineinführender Korridor. Ich vernahm ein hartes, monotones Geräusch, als schlüge irgendwo im Haus ein Laden im Wind ans Fenster. Es klang wie ein schlagendes Herz. Ich trat einige Meter hinein und erblickte zu meiner Linken die in den Turm hinaufführende Treppe. Da glaubte ich leichte Schritte, Kinderschritte, zu hören, die in den obersten Stock hinauf eilten.
»Guten Abend«, rief ich fragend.
Bevor sich das Echo meiner Stimme im Korridor verlor, verstummte das schlagende Geräusch. Absolute Stille senkte sich um mich herab, und ein eiskalter Luftzug strich mir übers Gesicht.
»Señor Corelli? Ich bin es, Martín. David Martín …«
Da ich keine Antwort erhielt, wagte ich mich durch den Korridor tiefer ins Haus hinein. Die Wände hingen voll von gerahmten Porträtaufnahmen in verschiedenen Größen. An den Posen und Kleidern war zu erkennen, dass die meisten Bilder mindestens zwanzig Jahre alt waren. Unten am Rahmen waren auf einem Täfelchen der Name des Abgebildeten und das Entstehungsjahr der Fotografie zu lesen. Ich betrachtete aufmerksam diese Gesichter, die mich aus einer anderen Zeit heraus beobachteten. Kinder und Alte, Damen und Herren. Sie alle vereinte ein Schatten von Traurigkeit im Blick, eine lautlose Klage. Alle schauten mit einer Sehnsucht in die Kamera, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließ.
»Interessieren Sie sich für Fotografie, lieber Martín?«, fragte die Stimme neben mir.
Erschrocken fuhr ich herum. An meiner Seite betrachtete Andreas Corelli die Bilder mit einem melancholischen Lächeln. Ich hatte sein Kommen nicht bemerkt, und sein Lächeln ließ mich schaudern.
»Ich dachte schon, Sie würden ausbleiben.«
»Ich auch.«
»Dann erlauben Sie mir, Sie zu einem Glas Wein einzuladen, um auf unseren
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