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Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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den Dichtern besungenen Sylphen, sondern ähneln einer grausamen, gefräßigen Mutter, die sich von ihren eigenen Kindern ernährt, welche sie gebiert und gebiert, um am Leben zu bleiben.«
    Corelli und seine Poetik von der grausamen Biologie begannen mir Übelkeit zu verursachen. Die Heftigkeit und Wut seiner Worte berührte mich unangenehm, und ich fragte mich, ob es irgendetwas auf der Welt gab, was ihm nicht widerlich und verachtenswert war, mich eingeschlossen.
    »Sie sollten am Palmsonntag in Schulen und Gemeinden inspirierende Kurzvorträge halten. Sie würden rauschenden Beifall ernten«, schlug ich vor.
    Corelli lachte kalt.
    »Schweifen Sie nicht ab. Was ich suche, ist das Gegenteil eines Intellektuellen, nämlich jemand Intelligentes. Ich habe ihn bereits gefunden.«
    »Sie schmeicheln mir.«
    »Noch besser – ich bezahle Sie. Und zwar sehr gut, das ist die einzige echte Schmeichelei in dieser käuflichen Welt. Nehmen Sie niemals eine Auszeichnung an, die nicht auf der Rückseite eines Schecks gedruckt ist. Sie kommt nur dem zustatten, der sie verleiht. Und da ich Sie bezahle, erwarte ich, dass Sie mir zuhören und meine Anweisungen befolgen. Sie können mir glauben, ich habe nicht das geringste Interesse daran, Ihre Zeit zu vergeuden. Solange Sie bei mir in Lohn und Brot stehen, ist Ihre Zeit auch meine Zeit.«
    Sein Ton war freundlich, aber der stählerne Glanz in seinen Augen ließ keinen Zweifel aufkommen.
    »Sie brauchen mich nicht alle fünf Minuten daran zu erinnern.«
    »Entschuldigen Sie meinen Nachdruck, lieber Martín. Wenn ich Sie mit all diesen weitschweifigen Reden schwindlig mache, dann, um sie so schnell wie möglich hinter uns zu bringen. Was ich von Ihnen will, ist die Form, nicht der Inhalt. Der Inhalt ist immer derselbe und in der Welt, seit es den Menschen gibt. Er ist seinem Herzen eingeprägt wie eine Seriennummer. Was ich von Ihnen will, ist, dass Sie eine intelligente, verführerische Art finden, die Fragen zu beantworten, die uns allen unter den Nägeln brennen, und dass sie es von Ihrer eigenen Interpretation der menschlichen Seele aus tun und Ihre Kunst und Ihr Handwerk in die Tat umsetzen. Ich will, dass Sie mir eine Erzählung bringen, die die Seele erweckt.«
    »Nicht mehr …«
    »… und nicht weniger.«
    »Sie sprechen davon, Gefühle und Emotionen zu manipulieren. Wäre es nicht leichter, die Leute mit einer rationalen, einfachen und klaren Darlegung zu überzeugen?«
    »Nein. Man kann unmöglich mit jemandem in einen rationalen Dialog über Glaubensinhalte und Ideen treten, die er nicht über den Verstand erworben hat. Ganz egal, ob wir von Gott, der Rasse oder seinem Nationalstolz sprechen. Daher brauche ich etwas Wirkungsvolleres als eine schlichte rhetorische Darlegung. Ich brauche die Kraft der Kunst, der Inszenierung. Bei einem Lied ist es der Text, den wir zu verstehen meinen, aber was uns daran glauben lässt oder nicht, ist die Musik.«
    Ich versuchte, dieses Kauderwelsch aufzunehmen, ohne dass es mir im Hals stecken blieb.
    »Seien Sie unbesorgt, für heute ist Schluss mit den Abhandlungen«, sagte Corelli. »Und jetzt zum Praktischen: Wir beide treffen uns ungefähr alle zwei Wochen. Sie werden mich über Ihre Fortschritte informieren und mir das Geleistete zeigen. Wenn ich Änderungswünsche oder Bemerkungen habe, werde ich es Sie wissen lassen. Das Ganze wird zwölf Monate dauern – falls Sie für die Fertigstellung so lange brauchen. Nach Ablauf dieser Frist werden Sie mir die ganze Arbeit sowie sämtliche Notizen dazu aushändigen, wie es dem alleinigen Inhaber und Garanten der Rechte zusteht, also mir. Ihr Name wird nirgends erscheinen, und Sie verpflichten sich, seine Nennung nach der Abgabe nicht einzufordern sowie mit niemandem, sei es privat oder öffentlich, über die geleistete Arbeit oder die Bestimmungen dieses Abkommens zu reden. Dafür erhalten Sie den bereits geleisteten Vorschuss von hunderttausend Francs und nach Abschluss der Arbeit zu meiner Zufriedenheit eine zusätzliche Vergütung von fünfzigtausend Francs.«
    Ich musste schlucken. Man ist sich der Habgier im eigenen Herzen nicht wirklich bewusst, bis man in der Tasche die Silbermünzen klingeln hört.
    »Wünschen Sie nicht einen ordnungsgemäß ausgefertigten schriftlichen Vertrag?«
    »Das hier ist ein Abkommen unter Gentlemen. Zwischen Ihnen und mir. Und es ist schon besiegelt worden. Ein Gentlemen’s Agreement kann man nicht brechen, weil es den bräche, der es unterschrieben

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