Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
ihn?«
»Nichts, was dich etwas anginge.«
»Wie soll ich Ihnen helfen, wenn Sie mir nicht sagen wollen, woran Sie arbeiten? Nein, besser, Sie antworten nicht. Ich schweige ja.«
Zehn gesegnete Sekunden lang schwieg sie. Dann fragte sie:
»Wie ist dieser Señor Corelli?« Ich schaute sie kühl an. »Eigen.«
»Gleich und Gleich … Ich sag ja nichts.«
Als ich dieses junge Mädchen mit dem edelmütigen Herzen so anschaute, fühlte ich mich, sofern das überhaupt möglich war, noch elender. Mir wurde klar, dass ich sie wegschicken musste, je eher, desto besser für uns beide.
»Warum schauen Sie mich so an?«
»Heute Abend werde ich ausgehen, Isabella.«
»Soll ich Ihnen etwas zu essen vorbereiten? Werden Sie sehr spät zurückkommen?«
»Ich werde auswärts essen und weiß nicht, wann ich zurückkomme, aber wann es auch sein mag, ich will, dass du gegangen bist, wenn ich komme. Ich will, dass du deine Siebensachen mitnimmst und gehst. Wohin, ist mir egal. Hier ist kein Platz für dich. Verstanden?«
Sie wurde bleich, und ihre Augen flossen über. Sie biss sich auf die Lippen und lächelte mir mit Tränen auf den Wangen zu.
»Ich bin überflüssig. Ich verstehe.«
»Und mach nicht weiter sauber.«
Ich stand auf, ließ sie in der Veranda stehen und verkroch mich im Arbeitszimmer im Turm. Ich öffnete die Fenster. Von unten drang Isabellas Weinen herauf. Ich betrachtete die in der Mittagssonne daliegende Stadt und schaute dann zum anderen Ende hinauf, wo ich beinahe die glänzenden Ziegel auf der Villa Helius zu sehen glaubte und mir Cristina, Señora Vidal, vorstellte, wie sie oben von den Turmfenstern zum Ribera-Viertel herabschaute. Etwas Dunkles, Trübes legte sich mir aufs Herz. Ich vergaß Isabellas Tränen und sehnte nur noch die Begegnung mit Corelli herbei, um mit ihm über das verdammte Buch zu sprechen.
Ich blieb im Arbeitszimmer im Turm, bis sich die Dämmerung über der Stadt ausbreitete wie Blut im Wasser. Es war heiß, heißer als den ganzen Sommer über, und die Dächer des Viertels flirrten im Dunst. Ich ging in die Wohnung hinunter und zog mich um. Alles war still, die Jalousien in der Veranda waren halb heruntergelassen und die Scheiben in ein bernsteinfarbenes Licht getaucht, das bis in den Korridor hinein schien. »Isabella?«, rief ich.
Ich erhielt keine Antwort. Ich schaute in die Veranda und sah, dass sie gegangen war. Davor hatte sie es sich nicht nehmen lassen, Ignatius B. Samsons gesammelte Werke, die in einer jetzt makellos glänzenden Vitrine jahrelang verstaubt und vergessen waren, zu ordnen und zu reinigen. Eines der Bücher hatte sie, in der Mitte aufgeschlagen, auf ein Stehpult gelegt. Ich las aufs Geratewohl eine Zeile und hatte das Gefühl, in eine Zeit zurückzureisen, in der alles ebenso einfach wie unvermeidlich schien.
»›Ein Gedicht wird mit Tränen geschrieben, ein Roman mit Blut und die Geschichte mit Lappalien‹, sagte der Kardinal, während er die Messerschneide im Licht des Kandelabers mit Gift bestrich.«
Die bemühte Naivität dieser Zeilen entlockte mir ein Lächeln und weckte erneut einen Verdacht, der mich nie ganz verlassen hatte: Vielleicht wäre es für alle, vor allem für mich selbst, besser gewesen, wenn Ignatius B. Samson nie aus dem Leben geschieden wäre und David Martín seinen Platz überlassen hätte.
8
Es wurde bereits dunkel, als ich aus dem Haus ging. Wärme und Feuchtigkeit hatten zahllose Nachbarn mit Stühlen auf die Straße hinausgetrieben, um in den Genuss einer Brise zu kommen, die nicht aufkommen wollte. Ich wich den Grüppchen vor den Hauseingängen und an den Ecken aus und wandte mich zum Francia-Bahnhof, wo immer zwei, drei Taxis auf Kundschaft warteten. Ich stieg ins erste der Reihe. Wir brauchten etwa zwanzig Minuten für den Weg quer durch die Stadt und hinauf auf den Hügel mit dem geisterhaften Wald des Architekten Gaudi. Die Lichter von Corellis Haus waren schon von weitem zu sehen.
»Ich wusste nicht, dass hier jemand wohnt«, bemerkte der Fahrer.
Sowie ich ihm die Fahrt bezahlt und ein Trinkgeld ausgehändigt hatte, suchte er in aller Eile das Weite. Ich blieb einige Augenblicke stehen, um die seltsame Stille dieses Ortes zu genießen. Kaum ein Blatt bewegte sich im Wald. In alle Richtungen dehnte sich der Sternenhimmel mit einigen hingepinselten Wolken aus. Ich konnte meinen eigenen Atem, das leichte Rascheln meiner Kleider beim Gehen, meine sich der Tür nähernden Schritte hören. Ich zog an der
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