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Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels

Titel: Barcelona 03 - Der Gefangene des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Hangars des Hafens zuzulaufen begann. Er rannte pausen- und atemlos, ohne Gefühl für die Zeit und für seinen Körper, der eine einzige Wunde war.

24
    Der Morgen dämmerte, als er zum endlosen Hüttenlabyrinth am Strand des Somorrostro-Viertels gelangte. Vom Meer kroch der Frühdunst heran und schlängelte sich zwischen den Dächern durch. Fermín betrat die Gässchen und Tunnel dieser Armenstadt und sank zwischen zwei Schutthügeln nieder. Dort fanden ihn zwei zerlumpte Jungen, die ihre Kisten absetzten und stehen blieben, um dieses halb lebendige, aus sämtlichen Poren blutende Skelett zu betrachten.
    Fermín lächelte ihnen zu und bildete mit den Fingern das Siegeszeichen. Die Jungen schauten sich an. Einer sagte etwas, was er nicht verstehen konnte. Er überließ sich der Erschöpfung und sah zwischen den halbgeöffneten Lidern, dass man ihn zu viert vom Boden aufhob und neben einem Feuer auf eine Pritsche legte. Er spürte die Wärme auf der Haut und allmählich das Gefühl in seine Füße, Hände und Arme zurückkehren. Dann überflutete ihn langsam und unerbittlich der Schmerz. Um ihn herum flüsterten matte Frauenstimmen unverständliche Worte. Seine wenigen Lumpen wurden ihm ausgezogen. In warmes Kampferwasser getauchte Tücher liebkosten unendlich zart seinen gebrochenen nackten Körper.
    Als er die Hand einer Greisin auf der Stirn spürte, öffnete er die Augen einen Spaltbreit und sah ihren müden, weisen Blick in dem seinen.
    »Woher kommst du?«, fragte die Frau, die Fermín in seinem Fieberwahn für seine Mutter hielt.
    »Von den Toten, Mutter«, flüsterte er. »Ich bin von den Toten zurückgekehrt.«

Dritter Teil
  
Wiedergeboren werden
      
1
      
Barcelona, 1940
      
    Was sich bei der alten Fabrik Vilardell ereignet hatte, gelangte nie in die Zeitung – keinem war daran gelegen, diese Geschichte ans Licht kommen zu lassen. Nur die direkt Beteiligten erinnern sich daran. Noch in der Nacht, in der Mauricio Valls nach seiner Rückkehr ins Kastell feststellen musste, dass der Gefangene Nr. 13 entflohen war, teilte der Direktor Inspektor Fumero von der politischen Polizei mit, einer der Gefangenen habe ausgepackt. Vor Sonnenaufgang waren Fumero und seine Leute bereits auf dem Posten.
    Zwei von ihnen ließ der Inspektor die nähere Umgebung überwachen, den Rest konzentrierte er beim Haupteingang, von wo aus man, wie Valls gesagt hatte, das ehemalige Wärterhaus sehen konnte. Die Leiche Jaime Montoyas, des heldenhaften Fahrers des Gefängnisdirektors, der sich freiwillig erboten hatte, mutterseelenallein die Richtigkeit der von einem der Gefangenen vorgebrachten Aussagen über subversive Elemente zu überprüfen, lag noch an derselben Stelle zwischen den Trümmern. Kurz vor dem Morgengrauen schickte Fumero seine Leute auf das Fabrikareal. Sie umzingelten das ehemalige Wärterhaus, und als die beiden Männer und die junge Frau, die sich im Inneren aufhielten, ihre Anwesenheit bemerkten, gab es nur einen geringfügigen Zwischenfall: Die junge Frau, die eine Feuerwaffe hatte, traf den Arm eines der Polizisten. Die Wunde war ein harmloser Kratzer. In dreißig Sekunden hatten Fumero und seine Leute die Rebellen überwältigt.
    Fumero ordnete an, alle ins Haus zu bringen, ebenso den toten Fahrer. Er verlangte weder Namen noch Papiere. Er hieß seine Leute die Rebellen an Händen und Füßen mit Draht an rostige Metallstühle fesseln, die in einer Ecke lagen. Danach schickte er alle hinaus, damit sie sich vor dem Haus und der Fabrik postierten und seine Anweisungen abwarteten. Mit seinen Gefangenen allein, schloss er die Tür und setzte sich vor sie hin.
    »Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen und bin müde. Ich will nach Hause. Ihr werdet mir jetzt sagen, wo das Geld und der Schmuck sind, die ihr für diesen Salgado versteckt haltet, und dann geht hier alles in Ordnung. Einverstanden?«
    Die Gefangenen schauten ihn halb verdutzt, halb erschrocken an.
    »Wir wissen nichts von Schmuck oder von diesem Salgado«, sagte der ältere der Männer.
    Fumero nickte ein wenig überdrüssig. In aller Ruhe schaute er die drei Gefangenen der Reihe nach an, als könnte er ihre Gedanken lesen und als langweilten ihn diese.
    Nach kurzem Zögern suchte er sich die Frau aus und rückte seinen Stuhl bis auf zwei Handbreit an sie heran. Sie zitterte.
    »Lass sie in Ruhe, du Mistkerl«, fuhr ihn der jüngere der beiden Männer an. »Wenn du sie anrührst, bring ich dich um, das schwör ich dir.«
    Fumero lächelte

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