Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)
vermutlich einer der vielen Rachefeldzüge, die sie regelmäßig gegen unsere Siedlungen führen«, fügte er hinzu, um die Gedanken der Elfe von sich selbst abzulenken. Er konnte fühlen, wie sich eine gewisse Nervosität in ihm breitmachte.
Die Waldelfe schüttelte entschieden den Kopf. »So verschwommen, wie ich mich an die Zeit vor dem Überfall erinnern kann, so klar sehe ich mittlerweile alles vor mir, was sich in jener Nacht ereignet hat. Ich habe sie gesehen, Jacharthis! Ich habe die Leichen gesehen, und ich habe ihre Wunden gesehen! Und ich verstehe heute genug davon, um sagen zu können, dass die meisten meiner Sippe nicht einmal genug Zeit gehabt hatten, zu realisieren, dass sie angegriffen wurden, bevor sie tot waren. Jemand, der Rache will, tut so etwas nicht. Er würde vielmehr dafür sorgen, dass seine Opfer Todesangst und größtmögliche Schmerzen verspüren.« Sie atmete ein paar Mal tief durch. »Für eine ausgiebige Plünderung hingegen sind sie zu schnell wieder abgezogen. Vielleicht haben sie ja etwas gesucht und gefunden. Ich muss es wissen, Jacharthis! Ich muss wissen, warum meine Verwandten sterben mussten!«
»Willst du Informationen oder willst du Rache?«
Linara starrte ihn anklagend an, antwortete aber nicht. Vielleicht wollte sie ja beides. Na und? Ihre Sippe war abgeschlachtet worden! Stand es ihr nicht zu, Vergeltung zu fordern?
Jacharthis hatte das Gefühl, von ihren blauen Augen durchbohrt zu werden. Er wandte den Kopf ab. Das Gefühl blieb. Was sollte er sagen?
Einerseits befahl ihm sein Herz, der Elfe alles zu erzählen, was er über ihre Herkunft zu wissen glaubte. Andererseits hatte er Atharis sein Wort gegeben, dies niemals zu tun. Letztendlich waren es nur Mutmaßungen und er konnte kaum hoffen, dass sie Linara von ihrer Suche abhalten würden. Im Gegenteil! Solche Erkenntnisse würden ihre Vermutungen über die Absichten der Siath nur bestätigen. Vielleicht konnte er sie jedoch davon überzeugen, dass sie der letzte Puzzleteil war, der den Schattenelfen noch fehlte, und den sie ihnen nun auf dem Silbertablett zu servieren gedachte. Doch welchen Schaden könnte er anrichten, wenn sich seine Spekulationen als falsch erwiesen?
Es mochte eine Art Instinkt sein oder die Tatsache, dass Linara seine Geheimnistuereien leid war, als sie ihn nun mit anklagender Stimme aufforderte: »Wenn du etwas über die Sache weißt, dann sag es jetzt!«
Jacharthis schrak aus seinen Grübeleien hoch. Er fühlte sich auf unangenehme Weise ertappt. Immerhin gab es einiges, von dem er ihr nie erzählt hatte. Seiner Erfahrung nach war es nicht immer gut, alles preiszugeben. Und mangels besserer Erkenntnis hielt er auch jetzt daran fest.
»Nein, ich weiß nichts über den Überfall. Bis vor Kurzem wusste ich nicht einmal, dass es eine Siedlung der Waldelfen nahe Silbersee gab.«
Das entsprach der Wahrheit. Im Grunde wusste er nicht mehr, als Atharis ihm gesagt hatte. Trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, Linara zu belügen.
»Ich glaube nur nicht, dass du deiner Sippe hilfst, indem du dich so offensichtlich in Gefahr begibst. Schließlich kannst du davon ausgehen, dass du damals in dem Tal da unten gemeinsam mit deinen Verwandten dein Ende gefunden hättest, wenn dich das Schicksal nicht beschützt hätte. Ich kann nur zu gut nachfühlen, wie es ist, wenn jemand, der einem nahe steht, getötet wird und man mit einem unbewältigbaren Berg von Fragen zurück bleibt. Doch ich will nicht, dass du den Schattenelfen Gelegenheit gibst, ihr blutiges Werk zu vollenden. Ich will nicht um dich fürchten müssen, Linara!«
»Du müsstest bei jedem Einsatz der Drachenreiter um mich fürchten, denn es kann nur zu schnell passieren, dass sich ein Pfeil in mein Herz verirrt. Indes hat Gefahr uns beide bis jetzt noch von nichts abgehalten und geringe Erfolgschancen ebenso wenig. Warum sollte ich gerade jetzt etwas daran ändern? Und jetzt hör auf mit dem sinnlosen Versuch, mich umzustimmen. Ich habe mich entschieden! Und selbst wenn du vor mir kniest und mich anflehst, wird sich daran nichts ändern.«
Jacharthis lächelte matt. »Du weißt genau, dass ich bereit wäre, das zu tun – alles zu tun. Ich kannte deine Antwort schon, bevor ich mich hierher aufmachte. Doch wie du eben gesagt hast, hält die geringe Aussicht auf Erfolg uns nicht davon ab, es dennoch zu versuchen. Obwohl ich es als eine sinnlose Verschwendung sehe, dich in die Dunkelheit gehen zu lassen. Du solltest unter Sternen tanzen und
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