Barrayar
bewusst wurde. Er richtete sich auf. »Bringen Sie mir am Morgen einen kompletten Bericht, Illyan«, sagte er, »ins Krankenhaus.«
Er nahm sie beim Arm, als sie sich umwandten, um dem Arzt zu folgen. Sie konnte nicht unterscheiden, ob er damit sie oder sich selbst stützen wollte.
Sie war im Komplex des Kaiserlichen Militärkrankenhauses von Helfern umgeben und wurde dahingetragen wie auf einem Fluss. Ärzte, Krankenschwestern, Sanitäter, Wachen. Aral wurde von ihr an der Tür getrennt, und das machte sie unsicher und allein in der Menge. Sie sprach sehr wenig mit ihnen, nur leere Höflichkeitsfloskeln, die sie automatisch benutzte wie irgendwelche Hebel. Sie wünschte sich, dass ein Schock ihr das Bewusstsein nähme, oder Betäubung, wirklichkeitsverneinender Wahnsinn, Halluzinationen, irgend etwas. Statt dessen fühlte sie sich nur müde.
Das Baby bewegte sich in ihr, flatternd, in knetenden Wendungen, offensichtlich war das teratogene Gegenmittel ein sehr langsam wirkendes Gift. Ihnen beiden war noch ein bisschen Zeit zusammen vergönnt, so schien es, und sie liebte ihr Kind durch ihre Haut hindurch, ihre Fingerspitzen bewegten sich in einer langsamen Massage über ihrem Unterleib. Willkommen, mein Sohn , auf Barrayar, dein Wohnsitz von Kannibalen, diese Welt hat nicht einmal die üblichen achtzehn oder zwanzig Jahre gewartet, um dich aufzufressen. Dieser gefräßige Planet.
Sie wurde in ein luxuriöses Privatzimmer gelegt, in einem VIP-Flügel, der hastig für ihren exklusiven Gebrauch geräumt worden war. Sie war erleichtert, als sie entdeckte, dass Vorkosigan genau auf der anderen Seite des Korridors einquartiert worden war. Schon in den grünen Armeeschlafanzug gekleidet, kam er sofort herüber, um zu beobachten, wie sie ins Bett gesteckt wurde. Sie lächelte ihm verhalten entgegen, versuchte aber nicht, sich aufzusetzen. Die Macht der Schwerkraft zog sie hinab in den Mittelpunkt der Welt. Nur die Festigkeit des Bettes, des Gebäudes, der Kruste des Planeten hielt sie gegen die Schwerkraft hoch, keineswegs ihr eigener Wille.
Hinter Vorkosigan kam ein besorgter Sanitäter, der sagte: »Erinnern Sie sich daran, Sir, versuchen Sie so wenig wie möglich zu sprechen, bevor nicht der Doktor Gelegenheit hatte, Ihre Kehle zu spülen.«
Das graue Licht der Morgendämmerung ließ die Fenster bleich erscheinen. Vorkosigan setzte sich auf den Rand des Bettes, nahm ihre Hand und rieb sie sanft. »Du fühlst dich kalt an, lieber Captain«, flüsterte er heiser. Sie nickte. Ihr Brustkorb schmerzte, ihre Kehle war wund und ihre Stirnhöhlen brannten.
»Ich hätte mich nie dazu überreden lassen sollen, diese Aufgabe zu übernehmen«, fuhr er fort, »es tut mir so leid …«
»Auch ich habe dich dazu überredet. Du hast versucht, mich zu warnen. Es ist nicht deine Schuld. Es erschien richtig für dich. Es ist richtig.«
Er schüttelte den Kopf: »Sprich nicht! Das beschädigt das Gewebe der Stimmbänder.«
Sie machte sich Luft in einem freudlosen »Ha!« und legte einen Finger über die Lippen, als er wieder zu sprechen anfing. Er nickte, gab es auf und sie schauten einander einige Zeit einfach nur an. Er schob ihre wirren Haare zärtlich aus ihrem Gesicht, und sie ergriff seine bereite Hand, um sie als Trost gegen ihre Wange zu pressen, bis er von einer Schar von Ärzten und Technikern aufgespürt und zu einer Behandlung fortgebracht wurde. »Wir werden bald zu Ihnen zurückkommen, Mylady«, versprach ihr Anführer drohend.
Sie kehrten nach einer Weile zurück, ließen sie mit einer ekligen rosafarbenen Flüssigkeit gurgeln und in eine Maschine atmen, darauf polterten sie wieder hinaus. Eine Krankenschwester brachte ihr ein Frühstück, das sie nicht anrührte. Dann betrat ein Komitee grimmig dreinblickender Ärzte ihr Zimmer.
Derjenige, der in der Nacht von der Kaiserlichen Residenz gekommen war, sah jetzt elegant und gepflegt aus und trug adrette Zivilkleidung. Ihr persönlicher Leibarzt war flankiert von einem jüngeren Mann mit schwarzen Augenbrauen in grüner Armeeuniform mit den Rangabzeichen eines Hauptmanns an seinem Kragen. Sie blickte auf die drei Gesichter und fühlte sich an Zerberus erinnert.
Ihr Leibarzt stellte den Fremden vor: »Das hier ist Hauptmann Vaagen von der Forschungsabteilung des Kaiserlichen Militärkrankenhauses. Er ist unser hiesiger Experte für militärische Gifte.«
»Um sie zu erfinden, Herr Hauptmann, oder nach ihrem Einsatz wieder alles in Ordnung zu bringen?«, fragte
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