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Barry Trotter und die schamlose Parodie

Titel: Barry Trotter und die schamlose Parodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Gerber
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bisweilen sogar armselige Angelegenheit, doch dieser Effekt war wirklich beeindruckend. Die funkelnden Lichter, die durch das Dach aus Zweigen und Blättern hindurchschienen, verliehen einem das Gefühl, man läge unter einem Weihnachtsbaum, klebriges Harz tropfte einem ins Haar, und jeden Moment könnte eine Christbaumkugel auf einen herabfallen.
    In jeder Ecke des quadratischen Raums standen rote, schlittenähnliche Fahrzeuge mit zwei Sitzen — einer vorn, einer hinten — und einem vertikalen Hebel zum Lenken sowie zur Neigungskontrolle vor dem Fahrersitz. Eine große Zahl von Zauberern, angehenden und Möchtegernmagiern, stand Schlange und wartete auf einen dieser Schlitten. Jeweils zwei von ihnen bestiegen ein Gefährt, rutschten damit aus der tunnelartigen Öffnung in der Wand, und dann kam die nächste Gruppe dran. Barry musste immer an die Fahrgeschäfte in Freizeitparks denken.
    Die beiden gingen zu der Schlange unter einem großen Zweig, der das Wort »Südost-Portal« buchstabierte, und reihten sich hinter einem Zentauren im pastellfarbenen Anzug ein, der an seiner langen Uhrenkette herumzwirbelte und ungeduldig mit den Hufen scharrte. Die Schlange kam langsam, aber stetig voran, und endlich stiegen Lon und Barry in ihren Schlitten.
    »Vorsicht beim Einsteigen«, sagte der Schaffner. Die Nase des Mannes sah aus, als habe irgendeine Krankheit sie halb weggefressen; der Rest seines Gesichts war zwar noch vorhanden, sah aber ähnlich ungesund aus. Barry fand ihn ebensowenig vertraueneinflößend wie den Schlitten: Der war alt, rostig, überall notdürftig geflickt und mit Brandflecken übersät. Im Boden war ein großes Loch, und auf dem Rücksitz lag ein offenbar gebrauchtes Kondom.
    Das Fragerufzeichen tanzte einen schmerzenden Samba auf Barrys Stirn. Er zögerte; sollte er um einen anderen Schlitten bitten?
    »Steigt ein, steigt ein, da warten noch andere Leute«, sagte der Schaffner und ließ ein zahnlückiges Grinsen aufblitzen, das Barry irgendwie ... böse vorkam. Für einen Augenblick sah er den Mann im Geiste vor sich: hager, unrasiert, nur mit einem knielangen Nachthemd und einer Nachtmütze bekleidet, hüpfte er im Mondlicht um einen riesigen Scheiterhaufen aus brennenden Büchern herum — >Barry Trotter<-Büchern! Auf seinem Hemd stand in großen, schwarzen Aufbügelbuchstaben: » Ich hasse Barry Trotter! « Er führte einen wahren Veitstanz auf, riss sich das Hemd vom Leib, heulte wie ein Tier und entblößte die schauerliche Tätowierung auf seiner Brust — ein Bild von ihm, Barry, in einem diagonal durchgestrichenen Kreis, wie auf einem Verkehrsschild.
    »Ich glaube, wir sollten lieber ...« Dann überwältigte ihn der Schmerz, und Barry verlor das Bewusstsein.
    »Ihr Freund scheint in Ohnmacht gefallen zu sein«, sagte der Schaffner. »Ich helf Ihnen, ihn einzuladen.« Lon und der unheimliche Bahnbeamte hievten den schlaffen Barry auf den Rücksitz. Lon setzte sich ans Steuer, und der Schlitten sauste in den Tunnel, während hinter ihnen das gespenstische Lachen des Schaffners verhallte. Auf dem Zweig über ihrem Kopf stand: »Das werdet ihr noch bereuen« — aber der einzige, der wach genug war, um es zu lesen, war Lon.

    Als Barry wieder zu sich kam, war sein schlimmster Albtraum wahr geworden: Lon am Steuer eines für den öffentlichen Verkehr zugelassenen Fahrzeugs. Lons Hirnverletzung hatte ihm jedes Gefühl für Geschwindigkeit geraubt. Und für Beschleunigung. Und für Gleichgewicht. Außerdem war er ziemlich kurzsichtig, obwohl er es nie zugab.
    »Lon! Pass auf!« brüllte Barry, als sie knapp einen Penner verfehlten, der an die Tunnelwand gelehnt seinen Rausch ausschlief. Mehrere Ausgaben des >Tagessalbader< flogen durch die Luft. »Lon, lass mich lieber ...«
    »Wie? Nein, Barry!« brüllte Lon; in solchen Situationen reagierte er empfindlich. »Ich kann fahren! Und ob ich das kann!«
    »Hör mir mal gut zu, du Nano-Hirn ...« Barry griff nach dem Lenker.
    »Nein! Lass mich!« Mit einem Schulterzucken wehrte Lon ihn ab. Barry wog gut zwanzig Kilo weniger als der rothaarige Schwachkopf. Der Schlitten kam immer wieder vom Weg ab, schrammte gegen die Heckenwände und fetzte Blätter und Zweige weg. Ein Zweig knallte ihm gegen den Kopf und brach ab. Darauf stand:«Mann, du sitzt echt in der Tinte.«
    Sie waren viel zu schnell unterwegs. Die Strecke war zwar eben, aber wenn man den Hebel nach vorn drückte, ging sie wie von Zauberhand bergab, und der Schlitten nahm Fahrt auf. Lon gab

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