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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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den Auftrag erteilt hatte, das Amulett zu mopsen, hatte sich Klein-Nathanael weiter aus dem Fenster gehängt, als er ahnte. Es war sonnenklar, dass Simon Lovelace vor nichts zurückschrecken würde, um sich das Ding zurückzuholen – und dass er jeden zum Schweigen bringen würde, der wusste, dass es sich überhaupt in seinem Besitz befunden hatte.
    Aber wieso hatte er Beecham das Amulett gestohlen? Weshalb forderte er den Zorn der Regierung heraus? Ich kannte das Amulett zwar vom Hörensagen, wusste aber nicht genau, was es für Kräfte besaß. Vielleicht konnte mir der Foliot auf die Sprünge helfen. »Dieses Amulett muss ja ein heißes Teil sein«, sagte ich. »Ziemlich vielseitig, das Ding, oder?«
    »Soweit mich mein Herr informiert hat, ja. Es soll ein überaus mächtiges Wesen beherbergen – ein Wesen aus dem Innersten des Anderen Ortes, wo das Chaos herrscht. Es schützt den Träger vor…«
    Der Foliot blickte über meine Schulter und verstummte mit abruptem Keuchen. Ein Schatten fiel über ihn, ein großer Schatten, der immer näher kam und auf dem glänzenden Holzfußboden immer größer wurde. Die Glocke bimmelte, als die Tür zu ›Pinns Ausstattungen‹ kurz aufschwang und ein Schwall Verkehrslärm von der Straße die angenehme Ruhe im Laden störte. Ich drehte mich langsam um.
    »Soso, Simpkin«, sagte Sholto Pinn gedehnt und schob die Tür mit einem Elfenbeinstock zu. »Ein Pläuschchen unter Freunden, wie? Wenn die Katze aus dem Haus ist…«
    »N-n-nein, Herr, bestimmt nicht«, jammerte der elende Tropf, berührte unterwürfig seine Stirn und ging unter Verbeugungen möglichst unauffällig rückwärts. Sein geschwollener Kopf schrumpfte zusehends. Ein köstlicher Anblick. Ich blieb gelassen an die Wand gelehnt stehen.
    »Kein Freund also?« Sholtos Stimme war tief, voll und grollend. Sie erinnerte an Sonnenlicht auf altersdunklem Holz, an Büchsen mit Bienenwachs-Politur und Flaschen erlesenen roten Portweins. 52
(Nein? Na dann eben nicht. Dann ist wohl meine dichterische Ader mit mir durchgegangen.)
Es war eine gutmütige Stimme, die jederzeit bereit schien, in herzliches Gelächter auszubrechen. Ein Lächeln umspielte Sholtos breiten, schmallippigen Mund, doch sein Blick war eisig. Aus der Nähe war er sogar noch größer, als ich gedacht hatte, eine hohe, weiße Mauer von Mann. In seinem Pelzmantel hätte man ihn im Halbdunkel glatt für einen Mammuthintern halten können.
    Simpkin war bis an den Ladentisch zurückgewichen. »Nein, Herr. Ee-es ist ein Bote. E-e-er hat eine Botschaft für Euch.«
    »Du überraschst mich, Simpkin! Ein Bote mit einer Botschaft? Erstaunlich! Warum hast du die Botschaft dann nicht einfach entgegengenommen und ihn wieder weggeschickt? Ich hatte dir doch genug Arbeit aufgetragen.«
    »Gewiss, Herr, gewiss. Er ist eben erst eingetroffen!«
    »Das ist ja noch erstaunlicher! Mein Zauberspiegel hat mir gezeigt, dass du schon mindestens zehn Minuten wie ein Fischweib herumstehst und schwatzt! Wie kann das sein? Vielleicht lässt ja auf meine alten Tage meine Sehkraft nach.« Der Zauberer zog sein Monokel aus der Westentasche, klemmte es ins linke Auge, rückte es zurecht 53
( Mithilfe ihrer Linsen können Zauberer die zweite und dritte Ebene deutlich erkennen, die vierte verschwommen. Zweifellos überprüfte mich Sholto diesbezüglich. Glücklicherweise funktionierte meine Koboldtarnung auch noch auf der vierten Ebene und ich war aus dem Schneider.)
und trat mit lässig schwingendem Spazierstock ein paar Schritte vor. Simpkin zuckte zusammen, gab jedoch keine Antwort.
    »Also gut.« Plötzlich schwenkte der Stock in meine Richtung. »Deine Botschaft, Kobold. Wo ist sie?«
    Ich legte respektvoll die Hand an die Stirn. »Ich habe sie auswendig gelernt. Mein Herr hielt sie für zu wichtig, um sie einem Brief anzuvertrauen.«
    »Ach so?« Das Auge hinter dem Monokel musterte mich von oben bis unten. »Und dein Herr ist…«
    »Simon Lovelace, Sir!« Ich nahm Haltung an und salutierte schneidig. »Und wenn Ihr gestattet, werde ich die Botschaft jetzt ausrichten und dann wieder durchstarten. Ich möchte Eure Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen.«
    »Recht so.« Sholto Pinn kam näher und fixierte mich scharf mit beiden Augen. »Die Botschaft, wenn ich bitten darf.«
    »Sie lautet folgendermaßen, Sir: ›Lieber Sholto, hat man Sie heute Abend ins Parlament eingeladen? Mich nämlich nicht – der Premierminister muss mich vergessen haben und ich bin ziemlich vor den

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