Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
erblickte ich einen hohen Ladentisch aus poliertem Holz, an dem ein unglaublich dicker, ganz in Weiß gekleideter Mann saß. Er thronte auf einem gefährlich hohen, unter seinem Gewicht kippelnden Hocker und erteilte einem hin-und herschwankenden Schachtelturm Befehle. Ein letztes Kommando, der dicke Mann schaute weg und der Stapel sauste eiernd quer durch den Raum. Dann vollführte das Ganze eine Drehung, und ich erspähte einen kleinen, untersetzten Foliot, 47
(Foliot: ein Billig-Dschinn. )
der sich darunter abrackerte. Als er vor den Regalen in einer Ecke des Ladens angekommen war, fuhr er einen ungewöhnlich langen Schwanz aus, nahm die Schachteln mit einer geschickten Bewegung nacheinander vom Stapel und räumte sie umsichtig ein.
    Der Dicke war vermutlich Sholto Pinn, der Ladenbesitzer. Der Botenkobold hatte gesagt, Pinn sei ein Zauberer, und mir fiel auf, dass er ein goldgefasstes Monokel trug. Zweifellos gestattete ihm dieses Hilfsmittel, die wahre Gestalt seines Dieners zu erkennen, denn um die nichtmagischen Passanten nicht zu erschrecken, hatte der Foliot auf der ersten Ebene das Aussehen eines jungen Mannes angenommen. Nach menschlichen Maßstäben war Sholto bestimmt ein richtiger Prachtkerl. Trotz seiner Leibesfülle hatte er geschmeidige, kraftvolle Bewegungen und einen lebhaften, durchdringenden Blick. Ich hatte den Eindruck, dass sich der Bursche nicht leicht ins Bockshorn jagen ließ, daher verabschiedete ich mich von meinem ursprünglichen Plan, ihn, als Mensch getarnt, auszufragen.
    Der kleine Foliot schien mir die bessere Wahl. Geduldig wartete ich auf eine günstige Gelegenheit.
    Gegen Mittag schwoll der Strom gut betuchter Kunden, die Pinns Laden aufsuchten, noch an. Der dicke Sholto dienerte und katzbuckelte, was das Zeug hielt. Auf sein Geheiß hüpfte der Foliot kreuz und quer durch den Laden und schleppte Schachteln, Umhänge, Regenschirme und alle möglichen anderen Artikel herbei.
    Etliche Verkäufe wurden getätigt, dann näherte sich die Mittagszeit ihrem Ende und die Kunden verliefen sich wieder. Jetzt kümmerte sich Sholto um seinen Magen. Er erteilte dem Foliot ein paar Anweisungen, zog einen dicken schwarzen Mantel an und verließ sein Geschäft. Ich beobachtete, wie er ein Taxi heranwinkte, einstieg und im Verkehrsgewühl verschwand. Gut so. Er würde eine Weile wegbleiben.
    Inzwischen hatte der Foliot ein Schild mit der Aufschrift GESCHLOSSEN in die Tür gehängt und sich auf den Hocker an der Ladentheke zurückgezogen, wo er sich, ganz eifriger Schüler seines Herrn, wichtigtuerisch aufplusterte.
    Das war die Gelegenheit, auf die ich gewartet hatte. Ich wechselte die Gestalt, und statt der Taube klopfte ein bescheidener Botenkobold an die Tür, ein getreues Abbild des Wichts, den ich in Hampstead Heath so drangsaliert hatte. Der Foliot blickte erstaunt auf, warf mir einen ärgerlichen Blick zu und machte mir ein Zeichen zu verschwinden. Ich klopfte noch kräftiger. Mit einem zornigen Ausruf sprang der Foliot vom Hocker, tapste zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Die Ladenglocke bimmelte.
    »Wir haben geschlossen.«
    »Nachricht für Mr Sholto.«
    »Der ist nicht da. Komm später wieder.«
    »Geht leider nicht, Chef. Is dringend. Wann isser denn zurück?«
    »Ungefähr in einer Stunde. Mein Herr ist zu Tisch.«
    »Wohin?«
    »Das hat er mir nicht mitgeteilt.« Der Foliot hatte eine hochnäsige, überhebliche Art. Offenbar war er sich zu gut dafür, mit Kobolden wie mir zu reden.
    »Auch egal. Dann warte ich halt.« Ich machte mich dünne, duckte mich unter seinem Arm hindurch und schlängelte mich in den Laden.
    »Mann, das is ja ne krasse Bude hier!«
    Der Foliot kam aufgeregt hinter mir hergerannt. »Raus mit dir! Raus! Mr Pinn hat mir strikt verboten, jemanden herein…«
    »Reg dich ab, Kumpel. Ich klau schon nix.«
    Der Foliot baute sich zwischen mir und dem Ständer mit den silbernen Taschenuhren auf. »Das will ich dir auch geraten haben! Ich brauche nur einmal aufzustampfen, dann erscheint ein Horla und frisst jeden Dieb oder ungebetenen Besucher! Also verschwinde gefälligst!«
    »Schon gut, schon gut.« Mit hängenden Schultern schlurfte ich zur Tür. »Ich seh’s ja ein – du bist mir überlegen. Und du hast es verflixt gut getroffen. Nich jeder darf so nen schicken Laden wie den hier führen.«
    »Da hast du allerdings Recht.« Der Foliot war zwar reizbar, aber auch eitel und für Schmeicheleien anfällig.
    »Wahrscheinlich wirst du nie verprügelt und kriegst

Weitere Kostenlose Bücher