Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand
Samarkand. Mein Herr hat’n paar Mal drüber geredet. Das hast du bestimmt noch nich geputzt.«
Mit dieser beiläufigen Bemerkung hatte ich ins Schwarze getroffen. Die Augen des Foliot wurden zu Schlitzen und sein Schwanz zuckte. »Wer ist überhaupt dein Herr?«, sagte er schroff. »Und wo ist deine Botschaft? Ich sehe gar keine.«
»Natürlich nich. Alles hier drin, capito?« Ich tippte mir mit der Kralle an die Stirn. »Und was meinen Herrn angeht, da gibt’s nix zu verschweigen. Simon Lovelace heißt er. Vielleicht hat er hier ja schon mal reingeschaut.«
Es war ein bisschen gewagt, den Zauberer ins Spiel zu bringen, doch das Gehabe des Foliot hatte sich bei der Erwähnung des Amuletts verändert, und ich wollte sein Misstrauen nicht noch weiter schüren, indem ich der Frage auswich. Außerdem schien er durchaus beeindruckt.
»Ach, Mr Lovelace? Na so was. Dann stehst du aber noch nicht lange in seinen Diensten. Wo ist denn Nittles?«
»Hat gestern Abend ’ne Nachricht verbummelt. Da hat ihn unser Herr dauergestichelt.«
»Tatsächlich? Ich fand Nittles schon immer ziemlich unzuverlässig. Geschieht ihm recht.« Die erfreuliche Mitteilung schien den Foliot wieder gnädiger zu stimmen. Er bekam einen ganz verträumten Blick. »Ein echter Gentleman, dieser Mr Lovelace, und ein perfekter Kunde. Immer gut gekleidet, immer höflich… Und natürlich ein guter Freund von Mr Pinn. Mr Lovelace interessiert sich also für das Amulett, hm? Das überrascht mich nicht, nach allem, was vorgefallen ist. Eine sehr unschöne Geschichte, und der Mörder wurde immer noch nicht gefasst, obwohl es inzwischen schon ein halbes Jahr her ist.«
Jetzt war ich hellwach, ließ mir aber nichts anmerken, sondern kratzte mich nachdenklich an der Nase.
»Stimmt. Mr Lovelace hat so was erwähnt. Hat’s aber nich weiter erklärt.«
»Wieso sollte er auch – einem Nichts wie dir! Manche Leute machen ja die ›Widerstandsbewegung‹ dafür verantwortlich, was das auch immer sein soll. Oder einen abtrünnigen Zauberer, was mir schon wahrscheinlicher vorkommt. Aber bei den ganzen Methoden, die dem Staat zur Verfügung stehen, fragt man sich schon…«
»Was is denn mit dem Amulett passiert? Wurde geklaut, oder wie?«
»Ja. Es wurde gestohlen. Und dabei ist jemand zu Tode gekommen. Schauderhaft. Meine Güte, es war wirklich schrecklich. Der arme, arme Mr Beecham.« Bei diesen Worten wischte sich diese Witzfigur von einem Foliot doch tatsächlich eine Träne aus dem Augenwinkel. 51
(An seiner Wortwahl konnte man erkennen, dass er längst zum Feind übergelaufen war – den Tod eines Zauberers bezeichnete er als ›Mord‹. Und er war ehrlich betroffen! Da sehnt man sich doch fast nach der schlichten Brutalität eines Jabor. )
»Du wolltest vorhin wissen, ob wir das Amulett hier bei uns im Laden hatten? O nein. Es war viel zu wertvoll, um es auf dem freien Markt anzubieten. Es war schon lange Staatseigentum und die letzten dreißig Jahre wurde es scharf bewacht auf Mr Beechams Anwesen in Surrey verwahrt. Höchste Sicherheitsstufe, Portale und so weiter. Mr Beecham hat sich ab und an mit Mr Pinn darüber unterhalten, wenn er zu uns kam. Er war ein sehr vornehmer Herr – streng, aber gerecht, wirklich bewundernswert. Ach ja…«
»Und dann hat jemand diesem Beecham das Amulett geklaut?«
»Ja, vor einem halben Jahr. Kein einziges Portal wurde ausgelöst und die Wachen haben nichts gemerkt, aber eines Abends war es weg. Spurlos verschwunden! Und neben der leeren Vitrine lag der arme Mr Beecham in seinem Blut. Mausetot! Er muss im Zimmer gewesen sein, als die Diebe kamen, und bevor er Hilfe herbeirufen konnte, haben sie ihm die Kehle durchgeschnitten. Was für eine Tragödie! Mr Pinn war ganz fassungslos.«
»Das glaub ich. Is ja auch ne üble Geschichte, Chef, echt übel.« Ich schaute so bekümmert drein, wie es ein Kobold vermag, doch insgeheim rieb ich mir die Hände. Das war ja eine saftige Information! Demnach hatte Simon Lovelace das Amulett tatsächlich gestohlen – und dafür einen Mord begangen. Der Schwarzbart, den Nathanael in Lovelace’ Arbeitszimmer gesehen hatte, hatte Beecham umgebracht und war dann schnurstracks mit dem Amulett zu Lovelace marschiert. Und zu allem Überfluss hatte Lovelace, ob nun auf eigene Faust oder im Auftrag eines Geheimbundes, Staatseigentum entwendet, was mit Landesverrat gleichzusetzen war. Wenn das dem Jungen nicht schmeckte, wollte ich ein Mauler sein.
Eins jedoch war sicher: Indem er mir
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