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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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mitnehmen? Wohin denn?«
    »Wirst du schon sehen. Willst du dich vorher anziehen? Ein bisschen Zeit hätten wir noch.«
    »Nein. Nein, das geht nicht!« Plötzlich war er ganz aufgeregt, rieb sich übers Gesicht und kratzte sich die Hände.
    Ich versuchte, beruhigend auf ihn einzuwirken. »Ich will dir doch nichts tun…«
    »Aber ich gehe nie vor die Tür. Nie!«
    »Dir wird wohl nichts anderes übrig bleiben, Kleiner. Wie wär’s denn mit einer anständigen Hose? Deine Schlafanzughose ist ziemlich ausgeleiert und ich fliege gern zügig.«
    »Bitte nicht!«, flehte er verzweifelt. »Ich gehe nie vor die Tür! Ich bin schon drei Jahre nicht mehr draußen gewesen. Sieh mich doch an. Sieh mich an! Siehst du’s?«
    Ich musterte ihn sachlich. »Was soll sein? Du bist ein bisschen moppelig, na und? Da draußen laufen viel schwabbeligere Exemplare herum, außerdem kriegst du das ganz leicht in den Griff, wenn du ein bisschen Sport treibst, statt die ganze Zeit hier auf deinem Hintern zu hocken. Zauberbücher zu verzieren, ist doch kein Leben für einen jungen Menschen! Außerdem machst du dir damit die Augen kaputt.«
    »Aber meine Haut! Und meine Hände! Schau sie dir doch an! Ich bin abstoßend hässlich!« Er hatte angefangen zu schreien, fuchtelte mir vorm Schnabel herum und schüttelte sich das Haar aus dem Gesicht.
    »Tut mir Leid, aber ich…«
    »Ich rede von der Farbe! Siehst du das? So seh ich überall aus!« Tatsächlich, jetzt wo er mich darauf hinwies, fielen mir ein paar senkrechte grauschwarze Streifen im Gesicht und an den Händen auf.
    »Ach, das meinst du!«, sagte ich. »Was ist damit? Ich hab gedacht, das hättest du absichtlich gemacht.«
    Daraufhin gab Hyrnek ein irres, schluchzendes Lachen von sich wie einer, der entschieden zu viel allein ist und entschieden zu viel grübelt. Ich kam ihm zuvor: »Das war eine Schwarze Schleuder, stimmt’s?«, fuhr ich fort. »Die haben seinerzeit – neben anderen Bannsprüchen – die Banja in Groß-Simbabwe zur Verschönerung benutzt. Für einen jungen Bräutigam galt es als überaus kleidsam, am ganzen Körper gestreift zu sein. Auch die Frauen sind drauf abgefahren, haben sich aber auf gewisse Stellen beschränkt. Nur die Wohlhabendsten konnten sich so was leisten, denn die Schamanen mussten dafür einen Erdgeist beschwören. In ihren Augen wärst du jedenfalls ein ausgesprochen attraktiver junger Mann.« Ich machte eine Pause, dann fügte ich an: »Bis auf die Haare, die sind eine Katastrophe. Aber das ist bei meinem Herrn und Meister genauso, und den hält das auch nicht davon ab, am helllichten Tag durch die Gegend zu spazieren. Jetzt…«, unterdessen hatte ich irgendwo im Haus eine Tür schlagen hören, »…jetzt müssen wir aber endgültig los. Lass die Schlafanzughose an und halt sie im Aufwind gut fest.«
    Ich hüpfte wieder auf ihn zu. Er sprang in plötzlicher Panik vom Stuhl und wich zurück. »Nein! Lass mich in Frieden!«
    »Das geht leider nicht.« Er machte zu viel Lärm, schon spürte ich, wie jemand im Zimmer unter uns rappelte. »Ich kann nichts dafür… ich bin nur das ausführende Organ.«
    Die Krähe hüpfte auf den Boden und schwoll bedenklich an. Der Junge schrie auf und stürzte zur Tür. Von unten hörte man eine mütterliche Stimme etwas rufen, dann kamen schwere Schritte eilig die Treppe hoch.
    Jakob Hyrnek kämpfte verbissen mit dem Türknauf, aber bevor er ihn umdrehen konnte, packte ihn ein gigantischer goldener Schnabel am Morgenmantel und stählerne Klauen durchbohrten den Teppich und zerschrammten die Dielen. Der Junge wurde wie ein neugeborenes Kätzchen am Kragen hochgehoben und herumgeschlenkert. Ein gewaltiger Flügelschlag schleuderte sämtliche Holzkästen durch die Gegend, dass es Edelsteine hagelte. Ein Windstoß und der Junge war am Fenster, eine scharlachrote Schwinge umfing ihn, Glas splitterte, kalte Luft schlug ihm entgegen. Ein Schrei, ein Zappeln – dann trug es ihn fort.
    Hätte jemand durch die zerbrochene Scheibe gespäht, hätte er höchstens noch den Schatten eines riesigen Vogels übers Gras gleiten sehen und ein paar schwächer werdende Schreie gehört.

Kitty
38
    An diesem Nachmittag ging Kitty insgesamt drei Mal am Druiden-Café vorbei. Bei den ersten beiden Malen konnte sie nichts und niemanden von Interesse entdecken, beim dritten Mal hatte sie mehr Glück. Hinter einer angeregt schwatzenden Touristengruppe, die mehrere Tische auf dem Bürgersteig besetzt hatten, erblickte sie den unauffälligen Mr

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