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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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gern Unordnung.)
Ich wusste, dass mein Opfer zu Hause war und sich höchstwahrscheinlich im ersten Stock aufhielt, also blieb ich sitzen und ließ die betreffenden Fenster nicht aus den kleinen Knopfaugen.
    Dieses Haus gehörte keinem Zauberer. Der Putz bröckelte, die Fensterrahmen waren verwittert und zwischen den Verandafliesen wucherte Unkraut. Das Grundstück war zwar recht groß, aber es wirkte ungepflegt und ein bisschen trostlos. Im kniehohen Gras lag sogar hier und da rostiges Kinderspielzeug.
    Nach stundenlangem Stillsitzen wurde die Krähe hibbelig. Mein Herr hatte mir zwar befohlen, diskret zu sein, andererseits sollte ich mich aber auch beeilen. Ich konnte nicht ewig so herumlungern, über kurz oder lang musste ich die Sache durchziehen, aber es wäre mir lieber gewesen, mein Opfer ganz allein zu Hause zu wissen.
    Passenderweise öffnete sich in diesem Augenblick die Haustür und eine große, üppige Frau mit einer Einkaufstasche am Arm kam heraus. Sie ging direkt an mir vorbei und dann die Straße hinunter. Ich brauchte mich nicht zu verstecken, für sie war ich nur ein Vogel. Hier gab es weder Abwehrnetze noch andere magische Sicherheitsvorkehrungen und auch niemanden, der über die erste Ebene hinaussehen konnte. Mit anderen Worten, jemand mit meinen Fähigkeiten war völlig unterfordert. In der ganzen Sache war von Anfang an der Wurm drin.
    Da regte sich etwas hinter der Scheibe. Die schmuddelige Gardine wurde weggeschoben, eine magere Hand schob den Riegel auf und öffnete einen Fensterflügel. Das war mein Einsatz. Die Krähe hob ab und flatterte wie eine schwarze, von der Wäscheleine gewehte Unterhose quer durch den Garten, landete auf dem Fensterbrett und schob sich auf schuppigen Krallen an der Gardine lang, bis sie einen kleinen, senkrechten Riss im Gewebe entdeckte. Sie steckte den Kopf durch und lugte ins Zimmer.
    Das Bett an der gegenüberliegenden Wand ließ erkennen, dass es sich in erster Linie um ein Schlafzimmer handelte, die zerknüllte Decke, dass das Bett erst kürzlich benutzt worden war. Allerdings war es jetzt mit lauter flachen, offenen Holzkästchen vollgestellt, von denen jedes in mehrere Fächer unterteilt war. In manchen Fächern lagen Halbedelsteine wie Achate, Topase, Opale, Granate, Jade und Bernstein, alle geschliffen, poliert und der Größe nach geordnet, in anderen dünne Metallstreifen, zurechtgeschnittene Elfenbeinblättchen und bunte, dreieckige Stoffstücke. Eine ganze Wand wurde von einem im provisierten Arbeitstisch eingenommen, auf dem noch mehr Holzkästen standen, außerdem Werkzeug und stinkende Leimtöpfe. In der Ecke lag ein ordentlich aufgeschichteter Stapel Bücher mit bunten Ledereinbänden, von denen jedes säuberlich beschriftet war. Bleistiftmarkierungen bezeichneten die Stellen auf dem Einband, wo Verzierungen angebracht werden sollten, und mitten auf dem Tisch lag im Lichtkegel zweier Stehlampen eine angefangene Arbeit. Ein in braunes Krokodilleder gebundener Wälzer bekam auf der Vorderseite ein Sternenmuster aus winzigen roten Granatsteinen. Die Krähe beobachtete, wie das letzte Steinchen einen Leimtropfen auf die Unterseite bekam und mithilfe einer Pinzette an die richtige Stelle gesetzt wurde.
    Der Junge, dessentwegen ich gekommen war, war so in seine Arbeit vertieft, dass er mich gar nicht bemerkte. Er trug einen abgewetzten Morgenmantel und einen verwaschenen blauen Schlafanzug. Die unter dem Stuhl gekreuzten Füße steckten in dicken, gestreiften Haussocken. Das schwarze Haar war schulterlang und stellte, was die Ungepflegtheit betraf, sogar Nathanaels fettige Mähne in den Schatten. Das ganze Zimmer müffelte nach Leder, Leim und Jungenschweiß.
    Na gut. Frisch ans Werk und so weiter…. Jetzt hieß es handeln.
    Die Krähe seufzte, packte mit dem Schnabel die Gardine und riss den Stoff mit einem Ruck mittendurch.
    Ich trat aufs innere Fensterbrett und hüpfte eben auf den nächsten Bücherstapel, als der Junge von seiner Arbeit aufsah.
    Er war ziemlich aufgeschwemmt und wirkte träge und müde. Als er die Krähe erblickte, fuhr er sich verwirrt durchs Haar, und ein Anflug von Angst blitzte in seinen Augen auf, wich jedoch gleich wieder stumpfer Resignation. Er legte die Pinzette weg.
    »Was für eine Art Dämon bist du?«
    Die Krähe war verdattert. »Trägst du Linsen oder was?«
    Der Junge zuckte gelangweilt die Achseln. »Meine Oma hat immer gesagt, Dämonen erscheinen am liebsten in Krähengestalt. Außerdem zerreißen gewöhnliche

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