Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
Menschen nichts davon mitbekamen. Kinder hätten es bestimmt für Feenstaub gehalten, wenn sie es hätten sehen können.
Tja, so kann man sich irren.
Mit einem kratzenden Laut gerannen die Lichtpünktchen und teilten sich in der Mitte wie ein Vorhang. Zum Vorschein kam der Kopf eines grinsenden, glatzköpfigen und an schwerer Akne leidenden Säuglings. Seine boshaften Äuglein waren gerötet und entzündet, was auf Schlafmangel und unsoliden Lebenswandel schließen ließ. Der Säugling schaute sich kurzsichtig um, fluchte leise und rieb sich mit den schmutzigen Fäustchen die Augen.
Schon hatte das Kerlchen meinen Tarnzauber entdeckt und stieß eine unflätige Verwünschung aus. 4
( Vermutlich germanischen Ursprungs, denn es ging irgendwie darum, jemandes Gedärm an eine Eiche zu nageln. )
Ich musterte ihn gelassen.
»Servus, Barti!«, rief der Säugling. »Steckst du da drin? Hoch mit dem Hintern. Dein Typ is gefragt.«
»Von wem?«, erwiderte ich lässig.
»Das weißt du genau. Eins sag ich dir, Kumpel, du kriegst mächtig Ärger! Ich tippe auf ein Schrumpffeuer.«
»Ach ja?« Das Mädchen blieb ungerührt auf seinem Schornstein hocken und verschränkte die schlanken Arme. »Wenn Mandrake mich braucht, soll er mich selber holen kommen.«
Der Säugling grinste gehässig. »Hab schon gehofft, dass du das sagst. Alles klaro, Barti! Ich richt’s ihm aus. Bin schon gespannt, wie er drauf reagiert.«
Die Schadenfreude des Kobolds ging mir auf die Nerven. 5
(Im Grunde waren wir beide Geknechtete, hatten beide schon viel zu lange unter Mandrakes Launen gelitten. Da wäre ein bisschen Mitgefühl doch wohl angebracht gewesen. Aber die lange Einzelhaft hatte den Kobold verbittert, wie es schon bedeutenderen Wesenheiten ergangen war. )
Wäre ich nicht so schlapp gewesen, ich hätte mich auf ihn gestürzt und ihn verschlungen, so aber begnügte ich mich damit, eine Schornsteinkappe abzureißen und sie ihm treffsicher an den Kopf zu werfen. Es schepperte herrlich, als ihm das Blechteil an die Glatze knallte.
»Hab ich’s mir doch gleich gedacht«, sagte ich, »hohl.«
Das fiese Grinsen verzog sich zur boshaften Fratze. »Saukerl! Wart’s bloß ab – mal sehn, wer zuletzt lacht, wenn du erst brutzelst.« Unter übelsten Beschimpfungen verschwand der Kobold hinter seinem Lichtvorhang und zog ihn blitzartig zu. Die Lichter wehten matt blinkend davon, der Kobold war fort.
Das Mädchen schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr, verschränkte wieder die Arme und blieb mit verbissener Miene sitzen. Der Vorfall würde Folgen haben und das war mir gerade recht. Es war höchste Zeit für eine Aussprache.
Eigentlich waren mein Herr und ich vor etlichen Jahren ganz gut miteinander ausgekommen. Unser Umgang war nicht direkt freundschaftlich, das wäre ja auch albern, aber unsere Kabbeleien beruhten immerhin auf einer gewissen gegenseitigen Achtung. Im Verlauf der Ereignisse, angefangen mit der Lovelace-Verschwörung bis hin zur Golem-Affäre, hatte ich Mandrakes Mut wohl oder übel anerkennen müssen, seine Tatkraft und sogar die (wenn auch seltenen) Regungen seines Gewissens. Doll war das alles nicht, aber es machte doch seine Zimperlichkeit, seine Verbohrtheit, seinen Stolz und krankhaften Ehrgeiz erträglicher. Im Gegenzug mangelte es mir natürlich nicht an charakterlichen Vorzügen, die er bewundern konnte, abgesehen davon, dass er morgens kaum aus dem Bett kam, ohne dass ich ihm mal wieder das Leben retten musste. So hielten wir es einigermaßen miteinander aus.
Nachdem der Golem besiegt und Mandrake zum Leiter der Abteilung für Inneres befördert worden war, ließ er mich ungefähr ein Jahr lang mehr oder weniger in Frieden. Hin und wieder beschwor er mich, damit ich ihm bei Lappalien aus der Patsche half, die ich hier nicht alle aufzählen möchte, 6
(Wenn ich mich recht entsinne, handelte es sich beispielsweise um die Episode mit dem Afriten, dem Brief und der Gattin des Botschafters, die Affäre um die Sonderbar Schwere Truhe und die anrüchige Geschichte mit dem Anarchisten und der Auster. Bei allen diesen Vorfällen wäre Mandrake beinahe zu Tode gekommen. Aber wie gesagt, keins dieser Abenteuer ist von größerem Interesse. )
aber im Großen und Ganzen blieb ich von ihm verschont.
Wenn er mich doch einmal rief, wussten wir beide, woran wir miteinander waren. Wir hatten eine Art Abkommen. Ich kannte seinen Geburtsnamen, und er wusste, dass ich ihn kannte. Obwohl er mir die schlimmsten Strafen androhte, falls
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