Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
Erscheinung verschwand, im Saal wurde es schlagartig hell und in den Gärten sangen die Vögel. Die Zauberer, Höflinge, Ehefrauen und Bittsteller richteten sich zögernd wieder auf.
Salomos Gesicht war heiter und friedlich. »Entsendet eure Dämonen in die Wüste«, befahl er. »Nehmt die Banditen gefangen.« Er nippte an seinem Wein und blickte versonnen nach draußen, wo jetzt, wie so oft, leise Musik ertönte, obwohl nirgends ein Musikant zu sehen war. »Eins noch, Hiram«, fuhr der König schließlich fort. »Du hast mir noch nicht von Saba berichtet. Ist der Bote zurückgekehrt? Hat er die Antwort der Königin mitgebracht?«
Der Wesir war schwerfällig aufgestanden und tupfte sich das Blut ab, das ihm aus der Nase rann. Er schluckte. Heute war einfach nicht sein Tag. »Allerdings, Herr. Die Antwort ist da.«
»Und?«
Hiram räusperte sich. »Unerklärlicherweise weist die Königin Euren Heiratsantrag erneut zurück und lehnt es ab, in die erlesene Gesellschaft Eurer Gefährtinnen aufgenommen zu werden.« Der Wesir machte eine Pause und gab damit den anwesenden Ehefrauen Gelegenheit zu lauten Ausrufen des Erstaunens. »Ihre sogenannte Erklärung lautet, dass sie als Regentin ihres Landes, im Gegensatz zur Tochter eines Königs« – Ausrufe der Empörung wurden laut – »ihr Land nicht einfach im Stich lassen kann, um in Jerusalem dem süßen Nichtstun zu frönen und sich in Eurem Glanz zu sonnen. Sie bedauert zutiefst, dass sie Eurem Wunsch nicht nachkommen kann, und entbietet Euch und Eurem Volk ihre immerwährende Freundschaft und die des Volkes von Saba, bis, ich zitiere…«, er warf wieder einen Blick auf die Schriftrolle,»… ›bis die Türme von Marib fallen und die ewige Sonne verlischt.‹ Kurz gesagt handelt es sich um ein weiteres Nein, Herr.«
Der Wesir verstummte, rollte das Schriftstück, ohne einen Blick in die Richtung des Königs zu wagen, umständlich wieder zusammen und verstaute es in seinem Gewand. Die Menge stand wie versteinert, die Blicke auf die schweigende Gestalt auf dem Thron geheftet.
Dann lachte Salomo und trank einen tüchtigen Schluck Wein. »So lautet also die Antwort aus Saba. Nun gut. Dann müssen wir uns wohl überlegen, wie Jerusalem darauf reagieren soll.«
Balkis
5
D ie Nacht war angebrochen, der Lärm der geschäftigen Stadt Marib verstummt. Die Königin von Saba saß allein in ihrem Gemach und las in ihren geheimen Schriften. Als sie nach ihrem Weinbecher griff, hörte sie plötzlich vor dem Fenster ein flatterndes Geräusch. Auf dem Sims hatte sich ein Vogel, ein Adler, niedergelassen. Er schüttelte sich Eisbröckchen aus dem Gefieder und betrachtete die Königin unverwandt mit kalten schwarzen Augen. Die Königin ihrerseits musterte den Adler forschend, und weil sie mit den Trugbildern der Luftgeister vertraut war, sagte sie: »Wenn du in friedlicher Absicht kommst, tritt ein und sei willkommen.«
Worauf der Adler von der Fensterbank hüpfte und sich flimmernd in einen schlanken jungen Mann verwandelte, dunkelhäutig und sehr ansehnlich. Nur seine Augen waren so schwarz und kalt wie die des Vogels und auf seiner bloßen Brust und den Schultern klebten noch ein paar Eisstückchen.
»Ich habe eine Nachricht für die Königin dieses Landes«, verkündete der junge Mann.
Die Königin schmunzelte. »Die bin ich. Du kommst von weit her und aus großer Höhe. Sei Gast in meinem Hause. Was ich besitze, soll auch dein sein. Verlangt es dich nach Erfrischungen oder Erholung oder nach einer anderen Wohltat? Sprich, und es sei dir gewährt.«
Der junge Mann erwiderte: »Ihr seid sehr großzügig, Königin Balkis, aber mich verlangt nach keinem dieser Dinge. Ich muss meine Botschaft überbringen und Eure Antwort hören. Wisset zunächst, dass ich ein Marid der siebten Ebene bin und der Sklave von Salomo, Sohn des David, König von Israel und mächtigster aller lebenden Magier.«
»Schon wieder?« Die Königin lächelte. »Der König hat mir schon drei Mal einen Antrag gemacht und hat drei Mal die gleiche Antwort bekommen. Seit dem letzten Mal ist kaum eine Woche vergangen. Ich hoffe doch, dass er sich endlich mit meiner Entscheidung abgefunden hat und nicht ein viertes Mal um meine Hand bitten will.«
»Was das betrifft«, antwortete der junge Mann, »werde ich Euch sogleich Auskunft erteilen. Salomo entbietet Euch seine Grüße und wünscht Euch Gesundheit und Wohlstand. Er bedankt sich dafür, dass Ihr sein letztes Angebot in Erwägung gezogen habt,
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