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Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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manchmal Freundschaften mit einigen dieser Sklaven gepflegt, aber Balkis war solchen Regungen eher abgeneigt und blieb lieber für sich.
    Endlich hatte die Morgensonne auch die Kanäle erreicht. Das Wasser funkelte. Balkis erhob sich, reckte sich und trank einen Schluck Wein, um die steifen Glieder zu lockern. Beim Angriff des Mariden hatte sie instinktiv gewusst, wie sie darauf reagieren musste, doch sie hatte ihren Entschluss die ganze Nacht lang gründlich überdacht. Nun schritt sie entschlossen zur Tat. Sie ging zu dem kleinen Schränkchen neben ihrem Sessel, holte die Kristallkugel hervor und zerbrach sie mit einem festen Druck der Fingerkuppen.
    Dann schaute sie ins Feuer und wartete. Nach dreißig Sekunden hörte sie eilige Schritte auf dem Flur, die Tür flog auf. Ohne sich umzudrehen, befahl Balkis: »Steck das Schwert weg, Mädchen. Die Gefahr ist vorüber.«
    Sie lauschte dem leisen Klirren, mit dem die Klinge wieder in die Lederscheide glitt.
    »Welche von meinen Leibwächterinnen bist du?«
    »Asmira, Herrin.«
    »Asmira…« Die Königin schaute in die lodernden Flammen. »Gut. Du warst immer die Schnellste von allen. Und die Geschickteste, wenn ich mich recht entsinne… Bist du mir bedingungslos ergeben, Asmira?«
    »Gewiss, Herrin.«
    »Würdest du für mich dein Leben hingeben?«
    »Mit Freuden, Herrin.«
    »Du bist eine würdige Tochter deiner Mutter«, sagte Balkis. »Bald wird ganz Saba in deiner Schuld stehen.« Sie drehte sich um und beschenkte das Mädchen mit einem strahlenden Lächeln. »Asmira, meine Liebe, läute nach den Dienerinnen, sie sollen uns Wein und Kuchen bringen. Ich möchte ein wenig mit dir plaudern.«
     
    Als die Erste Wächterin Asmira die königlichen Gemächer nach geraumer Zeit wieder verließ und in ihre eigene kleine Kammer zurückkehrte, war ihr ernstes Gesicht gerötet und sie atmete schwer. Sie setzte sich auf die Kante des Bettgestells, starrte erst ins Leere und dann auf die vertrauten, vom Boden bis zur Decke reichenden Risse in der Lehmziegelwand. Nach einer Weile schlug ihr Herz stetiger, ihr Atem ging ruhiger, aber sie war immer noch von überschäumendem Stolz erfüllt. Freudentränen funkelten in ihren Augen.
    Schließlich stand sie auf und holte eine schlichte, nur mit dem Symbol der Mittagssonne verzierte Truhe von dem hohen, in die Wand eingelassenen Bord. Asmira stellte die Truhe auf dem Bett ab, kniete sich davor, öffnete den Deckel und nahm die fünf Silberdolche heraus, die darin aufbewahrt waren. Die Klingen blitzten im Schein der Laterne, als sie einen Dolch nach dem anderen in der Hand wog und die Schneide begutachtete. Dann legte sie alle fünf sorgfältig nebeneinander aufs Bett.
    Asmira hockte sich auf die Fersen, griff unter ihr Bett und zog ihren Reiseumhang, die Lederschuhe und einen großen Beutel mit Kordelzug hervor. Um Letzteren zu erreichen, musste sie blindlings im hintersten Winkel unter dem Bett herumtasten. Der Beutel war eingestaubt, weil er so lange nicht mehr benutzt worden war.
    Asmira leerte den Inhalt auf den Boden: zwei nachlässig gefaltete, fleckige und leicht angesengte Quadrate aus Tuch, etliche Kerzen, zwei Feuersteine und Kienspäne, eine Öllampe, drei mit Wachs versiegelte Tiegel sowie acht kleine Jadegewichte. Eine Weile betrachtete sie das Sammelsurium scheinbar unschlüssig, dann zuckte sie die Achseln und verstaute alles wieder in dem Beutel, steckte auch die Silberdolche hinein, zog die Kordel zu und stand auf.
    Die Zeit verging rasch. Die Priesterinnen versammelten sich bestimmt schon im Palasthof und bereiteten die Beschwörung vor, und Asmira musste noch den Tempel aufsuchen, um den Segen der Sonne zu erflehen.
    Aber ihre Vorbereitungen waren abgeschlossen, und es gab niemanden, von dem sie sich verabschieden musste. Sie zog die Schuhe an, hob den Umhang auf und warf den Beutel über die Schulter. Ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ sie die Kammer.
     

Bartimäus
     
    6
     
    D er Phönix segelte hoch über der Erde dahin. Auf den ersten Blick ähnelte der edle Vogel einem Adler, doch sein goldenes Gefieder schimmerte rötlich und schillernde Tupfen zierten die Spitzen seiner ausgebreiteten Schwingen. Auf seinem Kopf prangte ein messingfarbener Kamm, seine Krallen glichen goldenen Haken und seine pechschwarzen Augen vermochten die Unendlichkeit von Vergangenheit und Zukunft zu schauen.
    Außerdem trug er einen mürrischen Ausdruck im Gesicht und in einem großen Netz eine Vierteltonne

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