Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
stand mithilfe seines Stocks überraschend gelenkig auf. »Und jetzt verschwinde«, sagte er barsch. »Du findest mich auf dem Markt. Oder mein Geschrei verrät dir, wo ich bin, falls sie woanders hingeht.«
Damit schwang er seinen Stock und machte sich humpelnd auf den Weg. Selbst nachdem er schon längst außer Sichtweite war, hörte man noch sein lautstarkes Gebettel um Almosen.
»Ich könnte dir natürlich ein Kamel verkaufen, Mädchen«, sagte der Kaufmann, »aber das wäre äußerst unüblich. Schick mir deinen Vater oder Bruder vorbei, dann trinken wir Tee miteinander, kauen Kath und einigen uns, wie es unter Männern Brauch ist. Und ich werde deine Verwandten höflich dafür tadeln, dass sie dich allein umherlaufen lassen. Sie müssten doch wissen, dass die Straßen dieser Stadt nicht der richtige Ort für eine junge Frau sind.«
Es war später Nachmittag. Pfirsichfarbenes Licht drang durch die Zeltplane und fiel auf den Teppich, die Kissen und den darauf thronenden Kaufmann. Neben ihm lag ein Stapel Tontafeln, manche alt und durchgehärtet, andere noch weich und erst zur Hälfte beschrieben. Vor dem Kaufmann standen und lagen ein Griffel, eine weitere Tontafel, ein Becher und ein Krug Wein. Über ihm hing ein Dschinnfänger vom Zeltdach und schaukelte sanft bei jedem Luftzug.
Asmira drehte sich nach dem Zelteingang um. Das geschäftige Treiben auf dem Markt legte sich allmählich. Ein, zwei Schatten huschten vorüber. Keiner davon kam ihr bekannt vor, keiner schlenderte müßig einher, den Blick zu Boden gerichtet… Doch der Abend rückte immer näher und es war nicht ratsam, dass sie sich noch viel länger draußen aufhielt. Von fern hörte sie die Klagerufe eines Bettlers.
»Du musst schon mit mir vorliebnehmen«, sagte sie.
Der Kaufmann verzog keine Miene. Er schaute auf die Tafel und nahm den Griffel zur Hand. »Ich habe zu tun, Mädchen. Schick deinen Vater her.«
Asmira musste sich mächtig zusammenreißen. Es war schon die dritte Unterredung dieser Art an jenem Nachmittag, und die Schatten wurden immer länger. Ihr blieben noch zwölf Tage, dann würde Salomo Marib überfallen. Schon der Kamelritt nach Jerusalem dauerte volle zehn Tage. »Ich werde Euch reich entlohnen, mein Herr«, unternahm sie noch einen Versuch. »Ihr braucht mir nur den Preis zu nennen.«
Der Kaufmann kniff die Lippen zusammen, dann ließ er den Griffel sinken. »Zeig mir, was du hast.«
»Wie viel wollt Ihr?«
»Hör zu, Mädchen, in den nächsten Tagen erwarte ich die Goldhändler aus Ägypten. Auch die wollen ihre Waren nach Jerusalem schaffen und kaufen mir so viele Kamele ab, wie ich liefern kann. Sie bezahlen mit Säckchen voller Goldstaub aus Nubien oder sogar mit richtigen Goldklumpen, sodass sich mein Schnurrbart vor Freude ringelt und ich mein Zelt einen ganzen Monat lang zumachen und mich in der Freudengasse vergnügen kann. Was kannst du mir bieten, das mich dazu bewegen könnte, dir eins meiner prächtigen dunkeläugigen Kamele zu überlassen?«
Das Mädchen griff in seinen Reitumhang, und als sie den Arm wieder herauszog, lag etwas Glitzerndes von der Größe eines Aprikosenkerns in ihrer Handfläche.
»Das ist ein blauer Diamant aus dem Hadramaut-Gebirge. In fünfzig Facetten geschliffen. Es heißt, die Königin von Saba trägt einen ähnlichen an ihrem Kopfputz. Überlass mir ein Kamel und der Stein gehört dir.«
Der Kaufmann rührte sich nicht; pfirsichfarbene Lichtbahnen wanderten über sein breites Gesicht. Er schaute zu dem geschlossenen Zelteingang hinüber, durch den der gedämpfte Lärm des Marktes hereindrang, und befeuchtete sich mit der Zungenspitze die Lippen. »Da fragt man sich natürlich«, sagte er gedehnt, »ob du noch mehr dergleichen bei dir trägst…«
Asmira beugte sich ein wenig vor, sodass der Umhang aufklaffte, und legte die Hand auf den Dolch, der lose an ihrem Gürtel hing.
»… aber was mich angeht«, fuhr der Kaufmann eilig fort, »ist diese Bezahlung mehr als angemessen! Wir können den Kaufvertrag sofort ausstellen!«
Asmira nickte. »Das freut mich sehr. Zeigt mir mein Kamel.«
»Sie geht die Gewürzgasse runter«, berichtete der Hagere. »Das Kamel hat sie auf dem Markt gelassen. Der Händler macht es bis morgen reisefertig. Sie scheut keine Kosten, leistet sich ‘nen Baldachin mit allem Drum und Dran. Die Kleine hat Geld.« Beim Sprechen spielte er mit einem langen Stoffstreifen.
»Die Gewürzgasse ist zu belebt«, sagte der Bettler.
»Und die
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