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Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Anwandlung von Hilfsbereitschaft knotete ich seine Arme und Beine zusammen und beförderte ihn mit einem kräftigen Tritt aus dem Steinbruch hinauf zur Baustelle. Von oben hörte man ihn erstickt quieken.
    Faquarl hatte belustigt zugeschaut. »War das klug, Bartimäus?«
    »Ich krieg sowieso jeden Tag die Peitsche«, knurrte ich. »Ein Mal mehr ist mir auch schon schnurz.«
    Doch wie sich herausstellte, war der Zauberer an diesem Tag dafür zu beschäftigt. Er verbrachte den Großteil seiner Zeit in einem Zelt am Rand der Baustelle, wo er die Baupläne überprüfte und mit den Botenkobolden verhandelte, die aus dem Palast herüberkamen. Sie überbrachten immer neue Änderungen am Entwurf der Tempelanlage – Messingsäulen hier, Zedernholzböden dort –, die Khaba unverzüglich in die Pläne einarbeiten musste. Oft kam er nach draußen, um seine Zeichnungen mit dem Stand der Arbeiten abzugleichen. Auf diese Weise konnte ich ihn jedes Mal unter die Lupe nehmen, wenn ich einen Quader anlieferte.
    Was ich sah, war nicht sehr ermutigend.
    Als Erstes fiel mir auf, dass Khabas Schatten immer hinter ihm blieb, ganz gleich, wo die Sonne stand, niemals vor ihm, niemals neben ihm. Etwas anderes war noch merkwürdiger. Der Zauberer verließ sein Zelt nur selten, wenn die Sonne im Zenit stand, 28 wenn doch, fiel auf, dass sein Schatten, während die Arbeiter so gut wie keinen warfen, nach wie vor lang und schmal war, ein Schatten, der eher zum Abend oder dem frühen Morgen gepasst hätte.
    Zwar stimmte Khabas Schatten mehr oder weniger mit der Gestalt seines Eigentümers überein, doch er war immer irgendwie in die Länge gezogen, und mich befiel jedes Mal ein tiefes Unbehagen beim Anblick der langen, mageren, spitz zulaufenden Arme und Finger. Normalerweise bewegte sich beides im Einklang mit dem Zauberer, aber nicht immer. Einmal beaufsichtigte Khaba mich und ein paar Kollegen dabei, wie wir einen Steinblock auf die Baustelle schleiften. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass der Zauberer die Arme vor der Brust verschränkte, der Schatten dagegen seine Arme wie eine lauernde Gottesanbeterin hielt. Ich drehte mich unauffällig um, aber da hatte der Schatten schon die Arme verschränkt, wie es sich gehörte.
    Wie Faquarl bereits festgestellt hatte, sah der Schatten auf allen sieben Ebenen gleich aus. Schon das war verdächtig. Ich bin kein Kobold und kein Foliot, sondern ein ausgewachsener Dschinn und habe uneingeschränkten Zugang zu sämtlichen Ebenen. Im Allgemeinen entlarve ich fast jedes magische Blendwerk. Trugbilder, Tarnzauber, Blendezauber, Verschleierungen – wenn ich auf die siebte Ebene umschalte, werden sie fadenscheinig und ich kann erkennen, was sie verbergen sollen. Mit den Erscheinungsformen irgendwelcher Geister ist es genauso. Zeig mir einen niedlichen Chorknaben oder eine liebevolle Mutter und ich zeige dir den abscheulichen Strigoi, 29 der sich in Wahrheit dahinter verbirgt. 30 Meinem Blick entgeht nicht viel.
    Der Schatten war eine Ausnahme. Seinen Tarnschleier konnte ich nicht durchdringen.
    Faquarl erging es nicht anders, wie er mir eines Abends am Lagerfeuer anvertraute. »Es muss sich um eine Wesenheit der allerobersten Kategorie handeln«, raunte er mir zu. »Jemand, der uns auf der siebten Ebene reinlegen kann, ist auf keinen Fall ein Dschinn, oder? Ich glaube ja, dass Khaba ihn aus Ägypten mitgebracht hat. Was meinst du, wer das sein kann, Bartimäus? Du warst doch in letzter Zeit öfter dort als ich.«
    Ich zuckte die Achseln. »Die Katakomben von Karnak sind unergründlich, ich bin nie sehr weit vorgedrungen. Auf jeden Fall müssen wir vorsichtig sein.«
    Wie vorsichtig, musste ich schon am nächsten Tag erfahren. Es gab ein Problem mit der Ausrichtung des Tempelvordachs. Ich war eine Leiter hinaufgestiegen, um die Sache von oben zu begutachten. Als ich gerade in einem Spalt zwischen zwei Steinblöcken mit Elle und Lotschnur beschäftigt war, sah ich unter mir den Zauberer vorbeigehen. Ein kleiner Botenkobold mit einer Wachstafel in der Pfote fing ihn ab. Der Zauberer blieb stehen, nahm die neuesten Änderungswünsche des Königs entgegen und überflog sie. Dabei lag sein Schatten wie üblich lang gestreckt hinter ihm, obwohl die Sonne hoch am Himmel stand. Der Zauberer nickte, steckte die Tafel ein und setzte seinen Weg fort. Der Kobold flatterte mit der törichten Ziellosigkeit seiner Spezies unentschlossen in die andere Richtung und bohrte dabei in der Nase. Als er über den Schatten hinwegflog,

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