Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
duckte es sich zum Sprung und stürzte sich mit gierig aufgerissenem Maul auf das Mädchen.
Bartimäus
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R uhe und Frieden. Das immerhin bietet die Wüste. Hier hat man Gelegenheit, die Mühen und Plagen des Alltags zu vergessen. Und wenn diese Plagen aus sieben wütenden Dschinn und einem stinksauren Zaubermeister bestehen, dann sind ein paar Hunderttausend Quadratmeilen Sand, Steine, Wind und Einsamkeit genau das Richtige.
Drei Tage waren seit meiner unglückseligen Begegnung mit Salomo vergangen – genug Zeit, sollte man berechtigterweise meinen, dass Gras über die Sache gewachsen wäre und sich die Gemüter beruhigt hätten, der erste Zorn verraucht und nachsichtiger Besonnenheit gewichen wäre.
Weit gefehlt!
Khaba war fuchsteufelswild – und das kam nicht von ungefähr. Der König hatte ihn vor seinen Kollegen runtergeputzt und gedemütigt, er musste sein komfortables Leben im Palast zumindest vorübergehend aufgeben und sich unter freiem Himmel der Banditenjagd widmen. Allerdings übertrieb er es nicht gerade mit dem einfachen Leben. Er reiste per fliegendem Teppich – inklusive Kissen, Weintrauben und eines angeketteten Foliots, der einen Sonnenschirm hielt – und nachts schlief er in einem schwarzen Seidenzelt mit Diwan und Duftbad. Er litt also entsetzlich – und gab mir die Schuld. 39
Erstaunlich und zugleich beunruhigend war jedoch, dass Khaba mich, bis auf ein paar Peitschenhiebe im ersten Affekt, für mein Fehlverhalten noch gar nicht angemessen bestraft hatte. Das passte gar nicht zu ihm, und es machte mich ganz kribbelig, denn ich musste damit rechnen, dass sein Zorn mich dann traf, wenn ich am wenigsten damit rechnete, weshalb ich natürlich andauernd damit rechnete. Ich beobachtete ihn und seinen Schatten geradezu manisch, aber es passierte einfach nichts.
Derweil waren meine Dschinnkollegen ebenfalls stinkig auf mich, weil das süße Leben auf der Tempelbaustelle ein jähes Ende gefunden hatte und sie stattdessen unwirtliche Wüsteneien nach bösartigen Dschinn durchkämmen mussten. Zwar versuchte ich, ihnen klarzumachen, dass Banditenjagen doch viel besser zu einem Dschinn passt als die stumpfsinnige Schufterei auf dem Bau, doch ich wurde abwechselnd niedergebrüllt, beschimpft oder schlicht ignoriert. Xoxen, Tivok und Besir weigerten sich rundweg, ein Wort mit mir zu wechseln, die anderen gaben patzige Widerworte. Nur Faquarl, dem der Steinbruch fürchterlich auf den Senkel gegangen war, zeigte hin und wieder einen Anflug von Mitgefühl, indem er ein paar zynische Bemerkungen einwarf. Ansonsten ließ auch er mich links liegen.
Die ersten beiden Tage verliefen ohne Zwischenfälle. Jeden Morgen trat Khaba aus seinem Zelt, schalt uns wegen unserer Missetaten, stieß alle möglichen Drohungen aus und ließ uns in sämtliche Himmelsrichtungen ausschwärmen. Jeden Abend, nachdem wir die Gegend vom ersten Sonnenstrahl bis zum Anbruch der Dämmerung kreuz und quer abgesucht hatten, kehrten wir mit leeren Händen zurück und wurden mit einer Strafpredigt begrüßt. Die Wüste war groß und der Feind ließ sich nicht blicken. Die Banditen, wer immer sie sein mochten, hielten sich verborgen.
Am Nachmittag des vierten Tages flog ich mal wieder als Phönix hoch über der Handelsstraße nach Süden. Die Stadt Hebron lag schon hinter mir, Arad ebenfalls. Im Osten sah ich das große Salzmeer aufblinken, wo die Gerippe uralter Städte in der Sonne bleichten. Vor mir lagen das Gebirge von Edom, die Pforte zu noch ausgedehnteren Wüstenlandschaften, und an ihrem Fuß eine dunkelviolette Fläche: die wasserlose Wüste Zin.
Hier schlängelte sich die Gewürzstraße nur noch als dünne braune Ader zwischen den kahlen Anhöhen hindurch. Wenn man ihr weit genug folgte, kam man ans Rote Meer und die Handelsknotenpunkte, an denen sich Karawanen aus Ägypten, Saba und sogar aus dem fernen Nubien und aus Punt trafen. Ich hatte es allerdings nicht ganz so weit.
Denn als ich am Himmel kreiste und mein dunkles Auge in der Sonne aufblitzte, erspähte ich unter mir ein ähnliches Aufblitzen. Es kam von einem Pfad abseits der Hauptstraße, der sich zu einem Dorf in den Hügeln hochschlängelte. Das Aufblitzen war nicht zu übersehen und bedurfte näherer Erkundung.
Ich ließ mich tiefer sinken, genoss den Wind im Gefieder und erfreute mich meiner Freiheit. Alles in allem war die Salomo-Sache glimpflich abgegangen. Ich war noch am Leben, durfte mich in den Lüften tummeln und musste mich nicht mehr
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