Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
aber sie fühlte sich benommen und ärgerte sich auch über sich selbst. Der Anblick eines Felsens hätte ihre Mutter bestimmt nicht in Panik versetzt, und auch die Königin würde von ihrer zukünftigen Heldin mehr Seelenstärke erwarten. Von der Last düsterer Gedanken niedergedrückt, hockte Asmira auf ihrem Kamel.
Der Hohlweg wurde immer enger. Rechter Hand war der Hang abgerutscht und mit Geröll übersät. Asmira ließ den Blick gedankenlos über die Steinbrocken schweifen, bis ihr etwas Kleines, Braunes auffiel. Auf einem Stein hockte ein großohriger Wüstenfuchs und beobachtete die Karawane aus glänzenden Augen.
Asmiras Kamel blieb kurz stehen, weil es auf dem unebenen Boden unsicher war, und Asmira war einen Augenblick lang mit dem Fuchs auf gleicher Höhe. Hätte sie sich vorgebeugt, hätte sie ihn anfassen können. Der Fuchs zeigte keine Scheu, blickte die junge Frau nur ruhig mit runden schwarzen Augen an.
Dann setzte sich das Kamel wieder in Bewegung und der Fuchs blieb zurück.
Einen Augenblick lang saß Asmira reglos im Sattel, spürte den Kamelrücken unter sich schaukeln und lauschte auf das stetige Klappern der Hufe und die Stille der Schlucht ringsum. Dann holte sie tief Luft, zog die Peitsche aus der Sattelschlaufe, zog die Zügel an und ließ das Kamel galoppieren. Ihre Benommenheit war verflogen, ihre Augen leuchteten hellwach. Unter dem Umhang tastete sie nach ihrem Dolch.
Der Karawanenführer war vier Kamele vor Asmira, und sie hatte Mühe, ihn in der engen Schlucht einzuholen.
»Schneller! Wir müssen schneller reiten!«
»Was ist denn los? Was hast du?«
»Lass deine Kobolde ausschwärmen! Die Dschinn auch, wenn du welche dabeihast – hier ist etwas faul!«
Der Mann zögerte, dann drehte er sich um und rief einen Befehl. Im selben Augenblick wurde sein Kamel von einer blauschwarzen Flammenkugel getroffen. Es krachte ohrenbetäubend. Tier und Reiter wurden quer über den Weg und gegen die Felswand geschleudert. Asmira stieß einen Schrei aus und hob abwehrend die Hände. Ihr Kamel bäumte sich vor Schreck auf, Asmira kippte nach hinten und wäre beinahe heruntergefallen, hatte aber zum Glück noch die Zügel um die Hand geschlungen. Mit der anderen Hand ergriff sie einen Pfosten ihres Baldachins und hielt sich daran fest. Das Kamel buckelte und bockte. Asmira wandte den Kopf und sah dunkle Schemen über den Himmel sausen. Feuergarben hagelten auf den Hohlweg nieder.
Noch mehr Einschläge detonierten, gefolgt von panischen Schreien. Flammenkugeln und Lärm prallten von den Wänden der Schlucht ab und schienen von allen Seiten zu kommen, Rauch vernebelte Asmira die Sicht. Ihr Kamel wollte kehrtmachen, aber eine Detonation hinter ihnen sorgte dafür, dass es stattdessen blindlings auf den Felshang zutrabte. Asmira riss verzweifelt an den Zügeln, mit der anderen Hand klammerte sie sich immer noch an den Baldachinpfosten. Es gelang ihr, sich wieder in den Sattel hochzuziehen, ehe sie zwischen ihrem Reittier und den Felsen zerdrückt wurde. Sie hielt sich am Sattelknauf fest und zog einen Silberdolch aus dem Gürtel.
Jetzt sprangen im dichten Qualm schwarze Gestalten von den Felsen. Mensch und Tier schrien vor Angst und Entsetzen auf. Asmira schaute sich erschrocken um, bekam ihr verstörtes Kamel wieder in den Griff und ritt ein Stück zurück. Sie lenkte das Tier an die schützende Felswand heran, und während Feuergarben an ihr vorbeizischten und ringsum die Schreie der Sterbenden ertönten, kramte sie zwei weitere Dolche aus dem Beutel. Sie zog auch die Silberkette aus dem Gewand und ließ sie offen auf die Brust fallen.
Im Rauch begann sich ein Umriss abzuzeichnen und kam näher – ein Mensch war das nicht. Asmira zielte und warf den ersten Dolch. Ein gurgelnder Schrei, ein mattes Aufleuchten. Der Schemen war verschwunden.
Asmira hielt den zweiten Dolch gezückt und wartete. Der Rauch lichtete sich allmählich.
Eine zweite Gestalt kam angestürmt. Als sie fast heran war, blieb sie stehen und wandte den Kopf nach Asmira. Asmira spannte alle Muskeln an und hob den Dolch. Das Blut hämmerte ihr in den Ohren.
Die Rauchwolke teilte sich, eine Kreatur mit Reptilienkopf und blutverschmiertem Krummschwert in der dreikralligen Pfote schnellte daraus hervor.
Asmira fasste nach ihrer Silberkette und sprach eine Zauberformel. Gleißende Lichtscheiben trafen die Kreatur, die zusammenzuckte, aber nicht weglief. Das Wesen grinste Asmira breit an und schüttelte bedächtig den Kopf. Dann
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