Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
»Verzeihung?«
»Bartimäus. So hat dich dein Freund Faquarl jedenfalls angesprochen.«
Ein unterdrückter Fluch. »Ich glaube, die Bezeichnung ›Freund‹ ist ein bisschen übertrieben. Dieser Schwachkopf! Typisch, dass er in aller Öffentlichkeit zu streiten anfängt…«
»Du sprichst seinen Namen doch auch andauernd aus«, wandte Asmira ein. »Außerdem kann ich bei deinem Herrn kein gutes Wort für dich einlegen, wenn ich nicht weiß, wie du heißt.«
Der Dschinn verzog das Gesicht. »Auch wieder wahr. Aber jetzt bin ich dran mit Fragenstellen. Wie steht’s mit dir? Wie heißt du?«
»Cyrine.«
»Cyrine…« Der Dschinn schien skeptisch. »Aha.«
»Ich bin Priesterin in Himjar.«
»Du wiederholst dich. Also, Cyrine, wie kommt es, dass du dich für gewisse goldene Schmuckstücke interessierst? Und worum handelt es sich bei der ›höchst dringlichen Angelegenheit‹, die dich nach Jerusalem führt?«
Asmira schüttelte den Kopf. »Meine Königin hat mich angewiesen, das ausschließlich mit Salomo zu bereden, und ich habe einen heiligen Eid darauf geschworen.«
»Nanu? Auf einmal sind wir zimperlich, oder was?«, sagte der Dämon säuerlich. »Komisch, dass deine Königin ein einziges Mädchen mit einem derart dringenden Auftrag betraut hat… Aber so sind sie halt, die Königinnen. Eigensinnig wie nur was. Du hättest Nofretete mal hören sollen, wenn sie in Hochform war.« Im Plauderton fuhr er fort. »Du kommst also aus Himjar. Da war ich noch nie. Hübsches Fleckchen Erde, oder?«
Asmira war ebenfalls noch nie in Himjar gewesen und antwortete unverfänglich: »Ja, sehr hübsch.«
»Hohe Berge, nehme ich an.«
»Ja.«
»Und Flüsse und Wüsten und so weiter?«
»Jede Menge.«
»Städte?«
»Die eine oder andere.«
»Liegt in Himjar nicht auch die Felsenstadt Zafar? Oder bringe ich da etwas durcheinander?«
Asmira ahnte die Falle, wusste aber nicht, wie sie ihr ausweichen sollte. »Mit Fremden spreche ich nie über die Eigenarten meiner Heimat«, sagte sie schließlich. »In Himjar sind wir von Natur aus zurückhaltend. Aber ich würde mich gern mit dir über Israel unterhalten. Ich nehme doch an, dass du König Salomo und seinen Palast gut kennst?«
»Den Palast schon… Salomo nicht. Der König hat viele Diener.«
»Aber wenn er dich beschwört, dann…«
»Wie gesagt, die Beschwörungen führen seine Zauberer durch. Wir gehorchen ihnen und sie gehorchen Salomo.«
»Und sie gehorchen ihm freudig, weil er den…« Diesmal sprach Asmira das Wort nicht aus. Bartimäus’ Beklommenheit hatte auf sie abgefärbt.
»Richtig«, antwortete der Dschinn knapp.
»Ihr müsst euch alle diesem… Gegenstand beugen?«
»Ich und unzählige andere.«
»Warum stiehlt ihn niemand? Oder vernichtet ihn?«
Der Dschinn fuhr zusammen. »Pst! Sprich gefälligst leise!« Er schaute sich nervös um. Asmira ließ sich davon anstecken und tat es ihm nach. Es kam ihr vor, als hätten sich die bläulichen Schatten auf der Felswand verdunkelt.
»Man spricht nicht auf diese Weise von dem Gegenstand«, sagte der Dschinn dann finster. »Hier nicht und auch sonst nirgends in Israel und schon überhaupt nicht in Jerusalem, wo jede zweite streunende Katze ein Spitzel des Königs ist.« Er blickte wieder zum Himmel und fuhr hastig fort: »Den Gegenstand, nach dem du dich erkundigst, kann man nicht stehlen, weil sein Besitzer ihn niemals ablegt. Sollte jemand auch nur auf die Idee kommen, etwas Derartiges zu versuchen, dreht der Betreffende den Gegenstand nur kurz am Finger und – schwups!, – enden seine Feinde so kläglich wie der arme Azul oder wie Odalis und Philokretes, um nur drei seiner Opfer zu nennen. Darum wagt niemand, der halbwegs bei Trost ist, sich König Salomo zu widersetzen. Darum sitzt er selbstherrlich und unbehelligt auf seinem Thron. Darum rate ich dir, wenn du deine ›dringliche Angelegenheit‹ erledigen willst, deine Neugier zu zähmen und dich vor unbedachtem Geschwätz zu hüten.« Er holte tief Luft. »Ich habe nichts gegen dich, Priesterin Cyrine aus Himjar, denn ich verabscheue meine Zuchtmeister und würde sie auch dann nicht warnen, falls mir etwas – oder jemand…« (er sah Asmira durchdringend an) »…verdächtig vorkommen sollte. Leider hat nicht jeder solche hohen moralischen Maßstäbe wie ich.« Er zeigte nach Norden. »Schon gar nicht diese Bande dort. Ich brauche wohl nicht zu betonen, dass der Mensch von ihnen allen der Schlimmste ist.«
Asmiras Blick folgte Bartimäus’
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