Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
glatte braune Stirn krauste sich. »Reden? Wozu?«
»Ich habe nicht oft Gelegenheit, mit einem derart hochrangigen Geist wie dir zu sprechen, schon gar nicht mit einem, dem ich mein Leben verdanke. Natürlich habe ich schon oft von Wesenheiten gehört, die in einer einzigen Nacht hohe Türme erbauen und dürstenden Landstrichen Regen spenden, aber ich hätte nie zu hoffen gewagt, je mit einem so edelmütigen, großherzigen Vertreter…« Sie unterbrach sich. Der Junge grinste sie an. »Was ist denn?«, fragte sie.
»Der großherzige Geist hat den Verdacht, dass du etwas von ihm willst. Worum geht’s?«
»Ich hatte gehofft, dass du in deiner unendlichen Weisheit…«
»Lass gut sein.« Die schwarzen Augen des Dämons funkelten. »Du hast es hier nicht mit einem schwachköpfigen Kobold zu tun. Ich bin ein Dschinn, und zwar ein ziemlich bedeutender. Obendrein bin ich ein Dschinn, der für Gilgamesch die Mauern von Uruk und für Ramses die Mauern von Karnak hochgezogen hat sowie jede Menge anderer Mauern für irgendwelche Herren, deren Namen längst vergessen sind. Salomo der Große ist nur der Letzte in einer langen Reihe hochrangiger Herrscher, die ohne meine Dienste nicht zurechtgekommen wären. Kurz gesagt, o Priesterin aus dem fernen Himjar, ich habe auch so schon eine hohe Meinung von mir und bin nicht auf deine Schmeicheleien angewiesen.«
Er zwinkerte ihr zu. Asmira spürte, dass sie rot wurde. Sie ballte die Fäuste.
»Ist immer gut, wenn man solche Kleinigkeiten gleich zu Anfang klarstellt, stimmt’s?« Der Dschinn lehnte sich lässig an einen Felsen. »Und jetzt rück damit raus, was du von mir willst.«
»Erzähl mir etwas über den Ring.«
Der Dschinn fuhr zusammen. Sein Ellbogen rutschte vom Felsen ab und er verlor das Gleichgewicht. Er fing sich wieder und brachte mit viel Federsträuben seine derangierten Flügel in Ordnung. »Wie bitte?«
»Weißt du, ich war nämlich noch nie in Jerusalem«, erwiderte Asmira unschuldig. »Aber ich habe schon so viel über den großen König Salomo gehört! Und weil du ja so ein bedeutender Dschinn bist und Salomo ohne dich nicht zurechtkommt, dachte ich, du kannst mir vielleicht etwas über seinen Ring erzählen.«
Der Dschinn schüttelte den Kopf. »Ich sagte doch, Schluss mit den Schmeicheleien! Oder…« Er stockte. »Oder war das etwa ironisch gemeint?«
»Niemals!«
»Merk dir jedenfalls«, knurrte der Dschinn, »dass in meinem Fall weniger mehr ist, sonst komme ich womöglich doch noch auf Faquarls Vorschlag zurück.«
»Was hat Faquarl denn vorgeschlagen?«
»Frag lieber nicht. Was den Gegenstand betrifft, den du angesprochen hast… Ich weiß ja, dass du nur ein Provinzmädel aus dem Hinterland Arabiens bist, aber selbst dort hat man doch bestimmt gehört…« Sein Blick schweifte wachsam über die Felshänge. »Die Sache ist die: In Israel ist es am besten, gewisse Themen in der Öffentlichkeit nicht anzuschneiden, am besten vermeidet man sie ganz.«
»Hast du etwa Angst?«, fragte Asmira belustigt.
»Keineswegs! Ich bin einfach nur vorsichtig.« Der geflügelte Junge wirkte verstimmt. Er spähte missmutig zum Himmel empor. »Wo bleibt dieser Khaba eigentlich! Er müsste längst hier sein. Anscheinend hat sich der blöde Faquarl verflogen.«
»Wenn dein Gefährte Faquarl heißt«, warf Asmira beiläufig ein, »dann heißt du …?«
»Tut mir leid.« Der Dschinn hob die Hand. »Das darf ich dir nicht sagen. Namen besitzen große Macht, sowohl was das Hüten als auch was das Preisgeben betrifft. Mit einem Namen geht man nicht hausieren, weder unter Geistern noch unter Menschen, denn der Name ist unser kostbarster und geheimster Besitz. Mein Name wurde mir verliehen, als ich vor langer Zeit erschaffen wurde – und wer ihn kennt, kann mich nach Belieben knechten. Um einen Namen zu erfahren und Wesenheiten wie mich zu bändigen, scheuen gewisse Zauberer keine Mühen. Sie vertiefen sich in uralte Texte, entziffern sumerische Keilschrift, riskieren in Pentagrammen ihr Leben. Wer meinen Namen kennt, kann mich in Ketten legen und zu grausamen Taten zwingen, und das schon seit zweitausend Jahren. Da kannst du vielleicht nachvollziehen, o Holde aus Himjar, weshalb ich peinlich darauf achte, dass mein Name nicht irgendwelchen Zufallsbekanntschaften zu Ohren kommt. Frag mich bitte nicht noch einmal danach, denn mein Name ist streng geheim und unantastbar.«
»Dann heißt du also nicht Bartimäus?«
Schweigen. Der Dschinn räusperte sich.
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