Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
zu verringern.
Vor allem interessierte mich der abgeschiedene Teil des Gartens, in dem Salomos Schatzkammer gelegen war. Über den Bäumen sah man die magischen Gitter vor den Fenstern leuchten. Bald hatte ich den dort postierten Dschinn ausfindig gemacht. Er stand allein neben einem von Salomos Sammlerstücken, einer großen, verwitterten Steinplatte, die senkrecht im Gras stak.
Wie ich mich freute, als ich ihn erkannte! Es war niemand anderes als Bosquo, jener eingebildete Erbsenzähler, der mich wegen der verspäteten Artischockenlieferung dumm angemacht hatte.
Da stand er, die schmächtigen Arme verschränkt, den Schmerbauch vorgestreckt, die Miene gelangweilt.
Diese Gelegenheit konnte ich mir nicht entgehen lassen.
Die Grille schwirrte schneller mit den Flügeln. Sie flog erst ein paar Schleifen und vergewisserte sich, dass sonst niemand in der Nähe war, dann landete sie hinter Bosquo auf der Steinplatte. Ich tippte ihm mit dem Vorderbein auf die Schulter.
Bosquo brummelte etwas und drehte sich verwundert um.
Damit nahm das nächtliche Gemetzel seinen Lauf.
Bartimäus
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W obei es anfangs ein ausgesprochen leises Gemetzel war. Ich wollte schließlich niemanden unnötig aufschrecken.
Bosquo fertigzumachen, dauerte ungefähr fünfzehn Sekunden – ein bisschen länger als gedacht. Er hatte zwei hässliche Hauer im Maul.
In den folgenden vier Minuten stattete ich mehreren anderen Wächtern in diesem Teil des Gartens Stippvisiten ab. Unsere Begegnungen verliefen ähnlich kurz und relativ schmerzlos, zumindest für mich. 84
Als das erledigt war, verwandelte ich mich wieder in eine Grille und flog – vorübergehend etwas schwerfällig, weil vollgefressen – wieder zum Versteck der Kleinen hinüber. Aber ich wollte sie noch nicht abholen, mich interessierte der Hauptmann vor dem Rhododendrongebüsch. Ich flog näher heran, ließ mich auf dem Rumpf einer von Salomos ausgefalleneren Skulpturen nieder und erwartete in ihrer Leistenbeuge die weitere Entwicklung.
Ich musste nicht lange warten.
Auf der ersten Ebene hatte sich der Afrit als Standbild getarnt, als sittsames Milchmädchen oder etwas ähnlich Albernes. Auf den anderen Ebenen war er ein grimmiger grauer Oger mit Knubbelknien, Bronzearmreifen und einem Lendenschurz aus Straußenfedern – mit anderen Worten, die Art von übernatürlichem Geschöpf, die ich hier im Garten gerade überhaupt nicht gebrauchen konnte. An seinem Gürtel hing ein gewaltiges Horn aus Elfenbein und Bronze.
Dann kam Bewegung in die Sache. Aus dem Gebüsch sprang ein schlaksiger Affe mit quietschrosa Schnauze und orangefarbenem Haarschopf. Er hockte sich vor dem Afriten auf die Hinterbacken und salutierte knapp. »Ich möchte etwas melden, Sahsiel.«
»Was denn, Kibbet?«
»Ich habe eben meine Runde durch den Südgarten gemacht und Bosquo ist nicht auf seinem Posten.«
Der Afrit verzog missmutig das Gesicht. »Bosquo? Der Bursche, der die Schatzkammer bewacht? Er ist auch für den Rosenhain und die Lauben im Ostteil zuständig, dort wird er sein.«
»Ich habe unter jedem Zweig und jedem Blatt nachgeschaut«, hielt der Affe dagegen. »Bosquo ist spurlos verschwunden.«
Der Oger zeigte auf die funkelnde Kuppel über dem Garten. »Das Abwehrnetz ist unversehrt. Niemand ist hier eingedrungen. Bosquo vertritt sich bestimmt irgendwo die Beine. Wenn er zurückkommt, verpasse ich ihm dafür den Stichel. Jetzt kümmere dich wieder um deine eigenen Angelegenheiten, Kibbet, und erstatte mir bei Sonnenaufgang Bericht.«
Der Affe trollte sich. Die Grille zirpte in ihrem Versteck zufrieden vor sich hin.
Stundenlang auf einem Sockel zu stehen, stelle ich mir nicht besonders lustig vor, aber der Oger schien mit seinem Los ganz zufrieden. Er schaukelte müßig auf den Fersen, beugte ein, zwei Mal die Knie und erzeugte mit dem Mund stillvergnügte Schmatzlaute. So hätte er wohl noch die ganze Nacht lang weitergemacht.
Doch das war ihm nicht vergönnt. Plötzlich kam der Affe abermals aus dem Gebüsch, diesmal begleitet von einem Regen aus Blättern und auf allen vieren laufend. Er bleckte die Zähne und die Augen quollen ihm fast aus dem Kopf.
»Ich habe noch eine Meldung zu machen, Sahsiel!«
»Geht’s wieder um Bosquo?«
»Der ist immer noch nicht aufgetaucht. Aber jetzt sind auch noch Susu und Trimbel verschwunden.«
Der Oger fragte erschrocken: »Wie bitte? Wo waren die beiden denn postiert?«
»Auf der Mauer bei der Schatzkammer. Susus Pike steckte in einem
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