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Bassus (German Edition)

Bassus (German Edition)

Titel: Bassus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Eisenmann
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er auf.
    „Ein Onkel von mir ist Arzt. Zu dem gehe ich jetzt gleich.“
    Reinhold dachte nach. „Na gut“, sagte er schließlich. „Ich bestelle dir ein Taxi.“
     
    In der Nähe des Ebertplatzes bat er den Taxifahrer, vor einem Haus mit mehreren Arztpraxen anzuhalten, und stieg aus. Er ging hinein. Sobald das Taxi verschwunden war, verließ er das Haus wieder. Nach wenigen Schritten an der frischen, kalten Luft merkte er jedoch, dass er langsam gehen musste. Ihm wurde sonst wieder schwindelig. Wahrscheinlich sollte er wirklich einen Arzt aufsuchen. Aber leider ging das nicht. Außerdem – sein Kopf würde schon wieder werden. Viel schlimmer war, dass er nach der Niederlage gegen Uwe Selbstzweifel verspürte. Und Roland, der einen sechsten Sinn für die Schwächen anderer hatte, durfte das auf keinen Fall merken.
    Er durfte das Heft nicht mehr aus der Hand geben! Um Melanies willen, um seinetwillen. Sonst waren sie verloren.
    Und er musste auch endlich seiner Mutter die Bilder mit Rolands schwangerer Freundin zeigen. Doch irgendwie schaffte er es nicht, sich selbst Mut zu machen.
    Was, wenn seine Mutter Roland trotzdem nicht verlassen würde?
    Er steuerte eine Bank an und setzte sich.
    Wie es wohl war, gute Eltern zu haben?
    Im Tagesheim begegnete er fast täglich einem allein erziehenden Vater, der seinen Sohn abholte. Er drückte den Jungen immer erst an sich und strich ihm liebevoll über den Kopf.
    Bei Tony hatte das noch nie jemand gemacht.
     
    Spät am Abend schickte sich Roland doch noch an, das Haus zu verlassen. Tony stand in der Wäschekammer, um für Melanie frisches Bettzeug zu holen. Danach wollte er endlich seiner Mutter die Fotos zeigen.
    Doch es kam anders.
    Seine Mutter wollte nicht, dass sein Vater wegging. Tony hörte, wie sie ihn unten im Flur mit weinerlicher Stimme anflehte, zu Hause zu bleiben. Er glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. War sie verrückt geworden? Sie wusste doch, was sie damit provozierte. Jetzt rannte sie auch noch heulend die Treppe herauf und lief an der Tür der Wäschekammer vorbei. Roland kam hinterher.
    Dann ging alles blitzschnell.
    Die Tür zur Kammer knallte zu. Zuerst dachte Tony, dass es ein Windstoß war, doch in derselben Sekunde wurde der Schlüssel umgedreht, und er verstand.
    Roland hatte ihn eingesperrt, damit er ihm nicht in die Quere kommen konnte!
    Wie hatte er nur so blöde sein können! Er rüttelte wie ein Besessener am Türknauf. Aber sämtliche Türen im Haus waren solide. Lediglich am unteren Ende hatten sie eine Lüftungsöffnung. Wenn er die wegbekäme und es ihm gelänge, den Schlüssel mit irgendeinem Gegenstand aus dem Schloss zu schieben, konnte er vielleicht durch die Öffnung danach greifen und sich befreien.
    Tony griff in seine Hosentaschen. Gott sei Dank. Sein Taschenmesser war da. Er kniete sich auf den Boden und machte sich ans Werk.
    Draußen begann der Terror. Tony kannte die Geräusche nur zu gut. Roland hatte ihre Mutter zu Boden geworfen und schlug auf sie ein. Sie schrie. Aber nicht etwa „Hör auf!“ Nein, sie schrie: „Ich habe doch nur Angst, dass du eine andere hast. Dass du mich nicht mehr liebst.“
    „Genau das wird auch passieren, wenn du dich so aufführst.“
    „Es ist, weil ich dich so liebe“, wimmerte die Mutter.
    „Du weißt gar nicht, was Liebe ist.“
    „Aber ich lebe doch nur für dich.“
    Roland brüllte jetzt: „Das ist nicht gut genug, verstehst du. Ich brauche etwas anderes. Du nörgelst zu viel.“
    „Ich hör damit auf. Ich versprech’s.“
    Und immer wieder klatschten Rolands Schläge.
    Dann wurde es plötzlich still. Auch Tony bewegte sich nicht mehr in seinem Gefängnis und lauschte angespannt.
    Er hörte, wie sein Vater wütend fragte: „Was willst du denn?“, und wie Melanies verschrecktes Stimmchen antwortete: „Bitte lass Mama in Ruhe.“
    Um Himmels Willen, sie wusste nicht, dass er, Tony, hier festsaß!
    „Hau ab!“
    „Lass Mama in Ruhe.“ Melanies Stimme klang etwas fester.
    „Ach, so ist das.“ Roland klang plötzlich gefährlich leise. „Du hast jetzt also auch einen eigenen Willen?“
    „Mama, er hat eine schwangere Freundin.“
    Tony erschrak zu Tode. Mit dem Taschenmesser hatte er die Lüftungsklappe bereits gelockert und wollte sie gerade herausdrücken.
    „Was?“, fragte die Mutter ungläubig.
    „Wir haben Fotos“, fuhr Melanie tapfer fort. Dann rief sie ängstlich: „Tony! Tony!“
    Tony schrie: „Ich sitze fest! Verschwinde, Melanie! Fahr zurück in dein

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