Bassus (German Edition)
Zimmer und schließ dich ein!“
„Roland“, hörte er jetzt seine Mutter fragen, „ist das wahr?“
„Natürlich nicht. Die sind verrückt, die Kinder. Was hast du da für verlogenen Abschaum in die Welt gesetzt.“
„Aber sie sagen, sie haben Fotos.“
„Die können sie gar nicht haben. Es gibt keine Freundin.“
„Er lügt, Mama“, sagte Melanie.
Sie begann zu weinen.
„Während ich mich mal mit unserer Tochter unterhalte, gehst du ins Badezimmer und machst dich frisch.“ Die Stimme seines Vaters klang ganz ruhig.
„Nein!“, brüllte Tony wie ein Wahnsinniger in seiner Kammer.
Danach vernahm er undefinierbare Geräusche, die sich entfernten. Verzweifelt stocherte er im Türschloss herum.
„Wo sind die Fotos?“, hörte er nach einer Weile wieder Rolands Stimme. Weiter weg diesmal. Aus Melanies Zimmer.
Doch seine kleine Schwester schwieg jetzt.
Dann hörte er den Schlag.
Es war Tony, als wäre er selbst getroffen worden. Eine furchtbare Ahnung packte ihn. Oh Gott, es war auf einmal so still.
Im Badezimmer rauschte die Dusche.
Tony bekam keine Luft mehr. Seine Hände waren kalt und feucht. Und sie zitterten. Endlich fiel der Schlüssel draußen auf den Boden. Doch er jubilierte nicht. Etwas Kaltes und Schwarzes hatte von seiner Seele Besitz ergriffen.
Er griff durch die Lüftungsöffnung, fand den Schlüssel und schloss von innen auf.
Seine Beine wollten ihn fast nicht tragen. Er stolperte über den Flur zu Melanies Zimmer. Die Tür stand offen. Sie selbst saß leblos in ihrem Rollstuhl. Ihr Kopf hing herab. Tony blieb stehen. Es gab nichts mehr, was er tun konnte. Nichts mehr, was irgendjemand tun konnte.
Langsam wandte er sich Roland zu.
Der stand da und hob die Hände. „He, das war ihre Schuld, was kippt sie auch weg!“
Etwas fuhr in Tony hinein. Er stürzte sich auf seinen Vater und schlug und trat mit einer Kraft, wie er sie noch nie zuvor verspürt hatte.
Jemand kreischte: „Hör auf!“ und zerrte an ihm.
Es war seine Mutter. Sie trug einen Bademantel. Ihre Haare waren nass. Tony packte sie an den Schultern und drehte sie zu Melanie.
„Da! Er hat sie umgebracht.“
Seine Mutter ging vor Melanie in die Hocke. Sie streckte ihre Hand aus. „Melanie“, flüsterte sie.
Da rief sein Vater: „Es war Tony. Er hat ihr eine gescheuert.“
Tony starrte auf den Rücken seiner Mutter. Sie wusste, dass sein Vater log. Sie kannte ihn schließlich. Es dauerte eine ganze Weile. Dann erhob sie sich und drehte sich langsam um.
Für den Bruchteil einer Sekunde wollte Tony es einfach nicht glauben.
Doch es war wahr.
Seine Mutter sah ihn hasserfüllt an.
Er schlug ihr mit voller Wucht ins Gesicht.
Elisabeth war noch immer erschüttert von Anblick des Mädchens, dessen Kopf wie eine abgeknickte Blume dagehangen hatte. Ihre Kollegen hatten ihr berichtet, dass Tony ihnen auf der Straße entgegengewankt war. Nachdem er immer wieder geschrieen hatte, dass sein Vater seine Schwester getötet habe, war er zusammengebrochen. Sie hatten ihn sofort in ein Krankenhaus gebracht.
Jetzt saß Elisabeth im Wohnzimmer den Eltern gegenüber. Der Vater trug einen schicken Ausgehanzug, die Mutter einen goldbestickten weißen Bademantel und hatte ein Handtuch um den Kopf geschlungen. Beide waren notärztlich versorgt worden. Das linke Auge des Vaters schwoll immer mehr zu, und der rechte Arm steckte in einer Schlinge. Die Mutter, deren Lippe genäht worden war, sah ihn immer wieder ängstlich von der Seite an.
„Ich weiß nicht, was heute in die Kinder gefahren ist“, stammelte sie.
„Was meinen Sie damit?“, fragte Elisabeth.
Sie wurde nicht schlau aus dieser Frau, die so redete, als seien ihre Kinder einfach nur mal ungezogen gewesen.
„Nun, Tony rastet völlig aus und schlägt auf uns ein, und dann behauptet er, dass mein Mann Melanie getötet habe.“
„Ja, das behauptet er. Und was hatte Melanie verbrochen?“
Frau Fuhrmann sah sie verständnislos an.
„Sie sagten die Kinder.“
Elisabeth sah, dass Melanies Mutter krampfhaft überlegte und ihr Mann alarmiert zusah. Damit seine Frau nichts Dummes sagen konnte, sprang er in die Bresche.
„Melanie hat Tony einfach gereizt, bis er zugeschlagen hat.“
„Was hat sie denn getan?“
Tonys Eltern sahen sich wieder kurz an, und die Mutter überließ dem Vater das Feld.
„Sie hat gequengelt, weil sie wollte, dass er mit ihr spielt.“
„Und er wollte das nicht?“, fragte Elisabeth.
„Nein“, antwortete noch einmal die
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