Bassus (German Edition)
zwei Jahren bei uns ist.“ Sie zögerte, „Und dass er extrem gewalttätig ist.“ Sie schwieg einen Moment. Dann fragte sie: „Hat Tony wirklich seine kleine Schwester getötet?“
Elisabeth Scheffler sah Natascha in die Augen. Ihr Blick war klar und fest. „Das hat er nicht. Wir wissen, dass sein Vater Melanie getötet hat. Aber wir können es nicht beweisen.“
Totenstille war eingetreten. Nach einer Weile sagte Elisabeth Scheffler: „Ich habe noch nie etwas Ungesetzliches getan. Aber Tony schwebt in großer Gefahr. Ich sehe daher keinen anderen Weg.“
Nie hätte sich Natascha träumen lassen, dass sie eines Tages an einer echten Verschwörung teilnehmen würde, noch dazu im Bund mit einer Kriminalkommissarin. Doch nun tat sie es. Und es machte ihr überhaupt nichts aus. Seit sie wusste, dass Tony unschuldig war und sein Vater der eigentliche Verbrecher, hatte sie keine Angst mehr.
Jetzt saß sie zusammen mit den anderen Verschwörern am Küchentisch der Heilpädagogin Irmtraud. Sie waren sieben Personen und duzten sich bereits alle. Da waren Elisabeth Scheffler und ihr Mann Wolfgang, der Archäologe, ihre fünfzehnjährige Tochter Franzi, und deren Klassenkamerad Ralf, Irmtrauds Sohn. Eine weitere Archäologin namens Gwanwyn Evans war wenige Minuten vorher direkt vom Flughafen zu ihnen gestoßen.
„Es tut mir leid, Irmtraud, dass wir eure kleine Wohnung in Beschlag nehmen. Aber wenn wir bei uns zusammenkämen, bestünde die Gefahr, dass es vielleicht bemerkt wird“, erklärte Elisabeth.
Irmtraud wischte die Bemerkung mit einer Hand weg. „Ist doch klar, dass man dich nicht mit der Sache in Verbindung bringen darf.“
„Und die Klinik darf nie erfahren, dass Natascha mit uns Kontakt aufgenommen hat“, fuhr Elisabeth fort.
„Mir ist das egal, dann verliere ich eben meinen Job.“
Elisabeth legte ihr die Hand auf den Arm. „Natascha, es geht nicht nur um deinen Job. Es könnte auch um dein Leben gehen“, sagte sie ruhig.
Ein bisschen erschrak Natascha. Aber nur ein bisschen. Sie hatte schon mit so etwas gerechnet.
Elisabeth fuhr fort: „Tony wurde am 26. Oktober bewusstlos und mit einer Kopfverletzung von einem Jogger im Wald gefunden. Er war laut Aussage der Rettungsassistenten, die ihn erstversorgt haben, sehr seltsam gekleidet. Da er keinerlei Ausweispapiere bei sich hatte, wurde die Polizei verständigt. Die fand durch die Datei verschwundener Kinder heraus, wer er war, und verständigte seine Eltern. Sein Vater veranlasste sofort die Einweisung in die Klinik von Professor Kalterer.“
„Was heißt das, er war seltsam gekleidet?“, fragte Ralf.
„Im Bericht steht nur, dass die Sachen ungewöhnlich waren. Außerdem hatte er einen Speer und einen Dolch bei sich. Die Klingen dieser Waffen waren sehr scharf.“
Alle schwiegen überrascht, aber nur einen Moment lang.
„Hat die Polizei die Stelle, an der er gefunden wurde, abgesucht? Hat sie vielleicht nach einem Rucksack oder sonst etwas gesucht, das er noch bei sich gehabt haben könnte?“
„Das ist eine gute Frage, Ralf. Nein, das haben meine Kollegen nicht getan. Tonys Identität war geklärt. Damit war der Fall für sie erledigt. Die seltsame Kleidung und die Waffen waren darüber hinaus eine weitere Bestätigung dafür, dass Tony verrückt und sehr gefährlich war. Also konnte man ihn wieder in die Psychiatrie stecken.“
„Wo sind die Kleider und die Waffen jetzt?“, fragte Ralf.
„Wahrscheinlich bei seinen Eltern.“
„Blöd.“
Natascha fiel etwas ein. „Neben dem Schrank, in dem die Patientenakten sind, steht noch ein Schrank, in dem auch persönliche Gegenstände der Patienten aufbewahrt werden. Vielleicht finde ich dort die Sachen, die Tony dabei hatte.“
„Aber bitte, Natascha, lass dich auf keinen Fall erwischen.“ Elisabeth sah sie eindringlich an.
„Das Wichtigste ist doch, dass wir Tony so schnell wie möglich aus der Klinik holen“, rief Franzi jetzt.
Elisabeth atmete durch. „Natürlich. Aber das wird nicht einfach. Nennen wir die Sache ruhig beim Namen. Wir müssen Tony entführen.“
Natascha schüttelte den Kopf. „In seinem momentanen Zustand ist das unmöglich. Er bräuchte zuerst andere Medikamente, und zwar verschreibungspflichtige.“
„Kannst du da was drehen?“, fragte Elisabeth.
„Das würde auffallen. Bei uns in der Klinik ist alles abgezählt.“
„Wir brauchen einen Arzt“, sagte Irmtraud und blickte in die Runde. „Kennt denn jemand einen, der bei so einer Sache
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