Bassus (German Edition)
sagte Natascha.
Wie konnte er weinen, wenn sie ihm beruhigende Medikamente gaben?
Er öffnete die Augen. „Welchen Monat haben wir?“
„November.“
Im Oktober war er noch bei Bassus gewesen.
„Wie schlimm sind meine Verletzungen?“, fragte er und bemerkte zum ersten Mal, dass Natascha noch sehr jung war.
Sie sah ihn verwundert an. „Deine Kopfverletzung ist verheilt.“
So schnell?
„Wann werde ich verlegt?“
„Ich verstehe nicht. Wohin verlegt?“
„Nun, vom normalen Krankenhaus zurück in die Psychiatrie.“
Natascha fühlte sich sichtlich unwohl. „Du bist in einer psychiatrischen Klinik, Tony. Einer Privatklinik. Dein Vater bezahlt sehr viel Geld dafür.“
Er durfte nicht schreien, sonst spritzten sie ihm wieder etwas. Weiter atmen. Ganz ruhig weiter atmen.
Natascha ging und kehrte mit einer älteren Krankenschwester und einem Arzt zurück, den Tony kannte. Er war ein Freund von Roland und manchmal bei seinen Eltern zum Essen eingeladen gewesen. Tony konnte ihn nicht ausstehen.
„Warum sind Sie hier?“, fragte er den Arzt.
„Ich kümmere mich um dich.“
„Arbeiten Sie hier?“
Der Arzt lächelte. Aber es war kein gutes Lächeln. Dann stand er auf, flüsterte der älteren Krankenschwester etwas zu und ging.
„Was macht er hier?“, fragte Tony Natascha.
„Er ist der Chef“, antwortete die Ältere. „Ihm gehört die Klinik. Und damit du Bescheid weißt, das hier ist eine sehr sichere Einrichtung. Du kommst hier erst wieder heraus, wenn Professor Kalterer dich für geheilt erklärt. Wir wollen doch nicht riskieren, dass noch ein kleines Mädchen sein Leben verliert.“
Das mit der Sicherheit stimmte. Gleich in der nächsten Nacht riss er die Kanüle aus seinem Handrücken und wankte aus dem Zimmer. Er war auf dem hell erleuchteten Flur noch keine drei Schritte gelaufen, als zwei kräftige Pfleger erschienen und ihm wieder eine Spritze gaben.
Danach steckte die Kanüle in der anderen Hand, und seine Hände waren festgegurtet.
Das war das Schlimmste. Das war eindeutig das Schlimmste, in das er je hineingeraten war. Denn jeden Tag kamen auch noch Roland und seine Mutter und spielten die leidenden Eltern.
Wusste eigentlich die Polizei, dass er hier war? Jemand musste ihn doch gefunden und in ein Krankenhaus gebracht haben? Er hatte keinerlei Ausweispapiere bei sich, nur seine römischen Sachen - da war doch sicher die Polizei eingeschaltet worden?
Wusste Franzis Mutter Bescheid?
Sicher nicht. Sonst wäre sie schon längst hier gewesen.
Er musste ihr unbedingt eine Nachricht zukommen lassen. Doch dafür brauchte er Hilfe.
Natascha!
Er ging es sofort an. Als sie ihm das Abendessen brachte, fragte er: „Darf ich eigentlich telefonieren?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht. Aber ich werde fragen. Wen möchtest du denn anrufen?“
„Eine Polizistin.“
„Eine Polizistin?“ Natascha sah ihn überrascht an.
„Eine Kriminalkommissarin. Sie kennt meinen Fall.“
„Was willst du denn von ihr?“
„Ich möchte einfach nur, dass sie weiß, dass ich hier bin.“
„Das ist alles?“
„Ja.“
„Wenn sie deinen Fall kennt, weiß sie sicher, dass du hier bist.“
„Das glaube ich nicht, sonst hätte sie mich schon längst besucht.“
Jetzt sah Natascha ihn streng an. „Du darfst außer deinen Eltern keinen Besuch empfangen.“
„Aber das gilt doch sicher nicht für die Polizei?“
Die Stimme von Professor Kalterer antwortete: „Natürlich gilt das auch für die Polizei.“
Gemeinsam mit einem anderen Arzt trat er an Tonys Bett und fuhr fort: „Sie brauchen einen richterlichen Beschluss, wenn sie dich besuchen wollen. Aber warum sollten sie den bekommen? Warum sollten sie ihn überhaupt beantragen? Dein Fall ist abgeschlossen.“
„Aber sie werden doch wissen wollen, was ich während der Zeit, in der ich verschwunden war, gemacht habe.“
„Was meinst du mit verschwunden?“
„Nun, die eineinhalb Jahre, in denen ich seit meiner Flucht aus der anderen Klinik untergetaucht war.“
Professor Kalterer warf seinem Kollegen einen bedeutungsvollen Blick zu. Dann wandte er sich wieder Tony zu.
„Du warst also eineinhalb Jahre lang untergetaucht?“, fragte er lauernd.
Tony gefiel sein Ton überhaupt nicht. Alles in ihm schrie: Sei auf der Hut! Trotzdem antwortete er: „Ja.“
„Und wo warst du während dieser Zeit?“
„Das werde ich Kriminalkommissarin Scheffler erzählen.“
„Ah ja.“
„Gibt es damit ein
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