Bassus (German Edition)
Tony.“
Lentulus sah verwirrt zur Seite und schwieg.
Tony griff nach einer blank geschliffenen Bronzeplatte, offenbar einem Spiegel. Ein wildfremder Junge blickte ihm entgegen.
Zurück im Haupthaus blieben sie vor einer großen hölzernen Tür mit bunten Schnitzereien stehen. Lentulus öffnete sie und winkte ihn hinein.
Die anderen saßen bereits um den Tisch. Vor ihnen standen viele Teller, Schälchen und Schüsseln, die mit verschiedenen Speisen gefüllt waren. Sklaven liefen hin und her und füllten nach oder räumten ab.
Alle sahen ihn an. Bassus und Donatus grinsten. Tony stand da und wusste nicht, wohin mit seinen Händen. Es war blöd, wenn man keine Hosentaschen mehr hatte. Na schön, dann eben die Daumen in den Gürtel stecken und abwarten. Severus deutete auf das Mädchen in Melanies Alter. Ihre langen blonden Haare waren jetzt zu einem Zopf geflochten.
„Das ist meine Tochter Flavia Severa. Sie freut sich, wenn du dich neben sie setzt.“
Das Mädchen strahlte ihn an und rückte etwas zur Seite. Freundlich sagte es: „Ave, Tony.“
„Ave, Flavia Severa“, erwiderte er.
„Meine Mutter Marcia kennst du ja schon“, sagte Flavia und deutete auf die Frau, die zwischen ihr und dem kleinen Jungen saß. Auch sie lächelte Tony freundlich an.
„Und das ist mein Bruder Aurelius.“ Sie deutete auf den kleinen Jungen.
„Ave, Aurelius“, sagte er.
Aurelius lächelte verlegen und schmiegte sich an seine Mutter.
Einige Gerichte, das gebratene Fleisch und einige Salate waren wirklich lecker. Andere Gerichte dagegen waren bitter oder sogar ranzig. Die Suppe war sauer, schmeckte ihm aber trotzdem. Flavia fiel auf, dass Tony sich bei einigen Speisen überwinden musste. Sie deutete auf ein Kännchen, von denen gleich mehrere auf dem Tisch standen.
„Nimm von dem Garum, dann schmeckt dir alles“, ermutigte sie ihn.
Garum war eine braune Soße. Tony kippte etwas davon über einen Gemüsebrei. Mit einem Stück Fladenbrot schob er sich einen Bissen in den Mund und hätte beinahe alles wieder ausgespuckt. Nur mit Mühe konnte er sich zusammenreißen, hustete jedoch furchtbar und hielt sich die Rippen.
„Es schmeckt ihm nicht“, sagte Flavia.
Donatus nahm das Garumkännchen und schüttete noch mehr davon auf Tonys Teller.
„Mit Garum bekommt man alles hinunter“, sagte er zuversichtlich.
Tony wedelte abwehrend mit der Hand. „Es tut mir leid, aber das Garum ist das Problem. Woraus wird es denn gemacht?“
„Wein, Essig, Pfeffer und noch vieles mehr“, erklärte Marcia. „Gibt es das nicht, dort, wo du herkommst?“
Tony schüttelte den Kopf.
„Was kippt man denn bei euch über das Essen?“, fragte Flavia.
Er wollte sagen: „Tomatenketschup“, aber er kannte das Wort für Tomaten nicht. Und das konnte er auch gar nicht, weil die Tomate ja aus Amerika stammte und noch unbekannt war. Blöd.
Eine Sklavin reichte ihm eine Süßigkeit aus klein gehackten Nüssen und Früchten, von der der Honig tropfte. Sie schmeckte köstlich und vertrieb den furchtbaren Geschmack des Garums. Dankbar bediente er sich und aß den ganzen Teller leer. Flink füllte die Sklavin wieder nach. Zu trinken gab es Wasser, den sauren verdünnten Wein und Apfelmost. Tony entschied sich für den Most. Ihm wurde im Kopf ganz leicht davon. Satt und entspannt lehnte er sich nach einer Weile zurück und lauschte den Gesprächen.
Seine Gastgeber machten sich große Sorgen wegen der zunehmenden Zahl von Überfällen durch germanische Banden. Sie fragten sich, ob das einsam gelegene Landgut wirklich sicher war. Tony erfuhr, dass die Angreifer von der rechten Rheinseite, dem sogenannten Germania Libera, dem freien Germanien, kamen und sich nach ihren Überfällen wieder dorthin zurückzogen. Außerdem bekam er mit, dass Bassus und Donatus regelmäßig den Rhein überquerten und das feindliche Gebiet als Kundschafter durchstreiften. Er hörte auch heraus, dass das verdammt gefährlich war.
„Wird am Flussufer denn nicht patrouilliert?“, fragte Tony.
Überrascht sah ihn Severus an. „Natürlich patrouillieren unsere Soldaten auf dieser Seite des Ufers und auch auf dem Fluss selbst. Sie tun praktisch nichts anderes. Aber es ist einfach nicht möglich, Tag und Nacht jede Quadratmeile zu überwachen.“
Tony hatte so viel gegessen, dass er fast platzte. Und so ließ seine Konzentration allmählich nach. Es war anstrengend, nur Latein zu hören. Er beobachtete die Leute um sich herum. Am sympathischsten war
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