Bassus (German Edition)
war noch nicht fertig. „Du hast dir offensichtlich noch nie Teres, das Pferd von Titus Flavius Bassus, genauer angesehen?“
„Nein, warum?“
„Tu es einfach mal, wenn du wieder Gelegenheit dazu hast. Es ist wie ein Mensch. Im Osten gibt es Länder, in denen die Bewohner davon überzeugt sind, dass die Tiere eine Seele haben. Wenn du Teres in die Augen siehst, kommt dir das gar nicht so abwegig vor.“
„Ist Teres ein gebräuchlicher Pferdename?“
„Eigentlich nicht. Es ist der Name eines thrakischen Königs.“
„Weil das Pferd aus Thrakien stammt?“
„Das Pferd nicht. Aber Flavius Bassus.“
„Er ist kein Römer?“
„Inzwischen schon. Aber normalerweise sind bei den Reitertruppen nur die höheren Offiziere Römer.“
„Wie kommt das?“
„Die Reiter sind sogenannte Auxiliaren und werden in den eroberten Provinzen rekrutiert. Erst nach 25 Jahren Dienst bekommen sie das Bürgerrecht, und dann sind sie echte Römer.“
„Ist Severus auch ein Thraker?“
„Nein. Flavius Severus stammt aus Hispania.“
Ein Spanier, das erklärte einiges.
„Und Marcia?“
„Sie ist Germanin.“
So vergingen die Tage. Aber irgendwann gab es draußen nichts Neues mehr zu lernen. Und so kam es, dass Tony schließlich im Unterrichtszimmer landete. Herklides las dort jeden Tag mit Flavia die Werke griechischer und römischer Schriftsteller und Philosophen. Aurelius saß dabei und spielte auf dem Boden mit seinen bunt bemalten Bauernhoffiguren aus Ton. Auch die Kinder der Sklaven, darunter Lentulus, wurden von Herklides in diesem Zimmer unterrichtet.
Bei ihm war Tony auf jemanden gestoßen, dessen Wissensschatz unerschöpflich war. Und das brachte ihn auf eine Idee. Vielleicht wusste Herklides ja weiter? Tony zeigte ihm Gwanwyns Medaillon und erklärte, dass er gerne mehr darüber gewusst hätte.
„Am besten, Ihr fragt Kelten, Herr.“
„Und wo finde ich welche?“
„Zum Beispiel hier ganz in der Nähe, etwa neun Meilen entfernt, ist ein Dorf, in den nur Kelten leben. Vielleicht können die weiterhelfen.“
„In welcher Richtung genau liegt dieses Dorf?“
„Nach Nordosten, aber bittet Severus, Euch bewaffnete Begleiter mitzugeben. Die Wege sind im Moment zu unsicher.“
Severus fragen? Er war doch kein Kleinkind. Er würde allein hingehen.
Schon am nächsten Morgen machte Tony sich auf. Es war frisch, aber die Sonne schien, und der Boden war trocken. In zwei bis drei Stunden müsste er die neun Meilen locker schaffen. Doch der Weg zog sich hin. Er fürchtete, dass er das Dorf verfehlt hatte, obwohl er immer auf dem schmalen Trampelpfad geblieben war, der direkt dorthin führen sollte. Wieder hatte er vor allem gegen den Durst zu kämpfen. In Zukunft musste er unbedingt seine Plastikflasche mitnehmen und mit Wasser füllen. Außerdem hatte er Blasen an den Füßen von den ungewohnten Sandalen. Tony zog sie aus und lief barfuß weiter. Was würde eigentlich geschehen, wenn er an den offenen Blasen eine Infektion bekäme? Theoretisch könnte er dann eine Blutvergiftung bekommen und sterben. Oder hatten die Römer etwas, das antiseptisch wirkte?
Nach einer Ewigkeit tauchten unten in einer Senke strohgedeckte Fachwerkhäuser und mit Flechtzäunen umgebene Gatter auf. Dazwischen war ein Weiher, auf dem Enten schwammen. Tony humpelte hinunter und wurde sofort bemerkt. Zuerst schnatterten die Gänse, dann bellten die Hunde. Als er das erste Haus erreichte, erwartete ihn bereits eine schweigende Gruppe von Menschen. Sie waren ganz anders gekleidet als die Römer. Niemand trug eine Tunika oder Toga. Die langen Hosen der Männer und die Kleider der Frauen hatten bunte Karomuster.
„Avete!“, rief er ihnen zu.
Niemand antwortete. Aber sie sahen nicht unfreundlich aus.
„Ich heiße Tonianus Furmanus. Ich bin Gast auf dem Gut des Publius Flavius Severus.“
Ein älterer Mann trat vor. „Was willst du?“
„Ich habe eine Frage, die nur Kelten mir beantworten können.“
Tony hörte jemanden kichern.
„Um was geht es?“
„Eine Frau hat mir ein keltisches Medaillon geschenkt, und ich hätte gerne gewusst, was es bedeutet.“
Jetzt lachten mehrere Dorfbewohner.
„Sag mal, Junge, bist du allein unterwegs?“, fragte eine Frau.
„Ja.“
„Weiß Publius Flavius das?“
Tony schüttelte den Kopf.
„Das ist aber nicht sehr klug.“
„Ich bin unterwegs niemandem begegnet.“
„Zeig dein Medaillon mal her“, befahl der Ältere.
Tony zog es über den Kopf und gab es ihm. Die
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