Bassus (German Edition)
der hinein wollte. Dahinter ragten weitere, noch größere Gebäude und Tempel in die Höhe. Und hinter diesen wiederum thronte auf einer Erhebung, weithin sichtbar, der größte Tempel, den Tony bisher gesehen hatte. Sein Herz schlug schneller. War das die Stelle, an der in seiner Zeit der Dom stand? Falls ja, müsste sich nicht weit entfernt der Rhein befinden. Tony lief in die Richtung. Und … halt. Was war das?
Sie standen vor einem fließenden Gewässer. Es musste der Rhein sein. Aber er war sehr schmal, nur wenige Meter gegenüber ragte bereits das andere gemauerte Ufer auf. Eine steinerne Brücke führte hinüber. Tony verstand das nicht. Die Sklaven hatten von einem Hafen mit Frachtschiffen, Lagerhallen und weiter südlich einem Stützpunkt der römischen Flotte berichtet. Aber er sah nicht ein einziges Schiff. Auf diesem schmalen Flüsschen war auch gar kein Platz dafür. Es sei denn, es hätte sich um Paddelboote gehandelt.
Der Verkehr auf der kurzen, stabilen Brücke war allerdings erheblich. Was wohl auf der anderen Seite war?
Sie betraten die Brücke und mussten ständig höllisch aufpassen, dass sie nicht von einem der schweren Wagen erfasst wurden.
Auf der anderen Seite führte eine schnurgerade, breite Straße zwischen großen und kleinen, aber allesamt hässlichen Gebäuden hindurch weiter. An ihrem Ende ragten meterhohe hölzerne Stangen in die Luft.
Und dann standen sie tatsächlich am Ufer des Rheins.
Er war so breit, dass Tony kaum das andere Ufer sehen konnte. Vor ihm befand sich eine riesige Anlegestelle. Ein Schiff wurde gerade entladen. Soldaten untersuchten es und befragten einen älteren Mann, während andere Männer Amphoren zu Ochsenkarren trugen. Weiter draußen warteten weitere Schiffe darauf, anlegen zu können. Alle hatten am Bug kunstvoll geschnitzte und bunt bemalte Holzbögen, und aus ihren Bäuchen ragten wie die Beine eines Tausendfüßlers viele lange Ruder, die so präzise bewegt wurden, als wären sie computergesteuert.
Tony drehte sich um. Die hölzernen Stangen, die ihm aufgefallen waren, gehörten zu Lastkränen. Und eine Lagerhalle reihte sich an die andere, so weit das Auge reichte. Dieses ganze Hafengebiet war wie eine gemauerte Insel vor der Stadt.
Hier musste sich doch ein Unterschlupf finden lassen!
Und hier konnte er sicher Dinge stehlen, die er in der Stadt verkaufen konnte.
Tony war die Insel bereits einmal in ihrer kompletten Länge und Breite abgelaufen, Harpalos an seiner Seite. Jetzt standen sie wieder vor dem großen, zweistöckigen Gebäude mit dem ummauerten Hof. Es wirkte verlassen. Über einem mit Tonziegeln bedeckten Vordach entdeckte Tony ein offenes Fenster. Dort wollte er hinauf, innen dann ins Erdgeschoß hinuntersteigen und für Harpalos einen Fensterladen öffnen. Er musste nur einen Balken organisieren, der bis zur Dachtraufe hinaufreichte. An dem könnte er hinaufklettern.
Eigentlich kein Problem. Trotzdem zögerte er.
Alle unteren Fensteröffnungen waren vernagelt. Es würde drinnen also stockdunkel sein. Tony hatte zwar seine Taschenlampe, aber wie lange würde die Batterie noch reichen? Dunkelheit war ihm schon immer unheimlich gewesen, er hatte diesem Gefühl jedoch noch nie nachgegeben. Was hielt ihn also jetzt zurück?
Irgendetwas stimmte hier nicht. Das Gebäude strahlte etwas unfassbar Düsteres aus. Obwohl der Tag hell und freundlich war, schien die Sonne es nicht zu erreichen. Jetzt begann Harpalos auch noch leise zu knurren. Und er knurrte weiter, während Tony die Halle aufmerksam betrachtete.
Am liebsten wäre er weitergegangen. Doch dies war das einzige ungenutzte Gebäude, das sie bis jetzt entdeckt hatten. Wenn sie hier nicht bleiben könnten, würden sie wahrscheinlich auf der Straße schlafen müssen. Und dort würden sie auffallen. Von Severus’ Sklaven wusste er, dass diejenigen, die kein Nachtquartier hatten, nachts die Stadt verlassen mussten. Das konnte er nicht riskieren. Schließlich musste er damit rechnen, dass Severus nach ihm suchen ließ und die Wachen an den Stadttoren seine Beschreibung hatten. Möglicherweise wussten sie inzwischen auch, dass er einen großen schwarzen Hund dabei hatte. Nein. Er musste innerhalb der Stadtmauern bleiben und sich möglichst unsichtbar machen.
So mulmig ihm auch war - er würde jetzt einen Balken auftreiben und in das Gebäude einsteigen.
Ein passende Holzstange hatte er bald gefunden und lehnte sie an das Vordach. Er nahm sein Taschenmesser aus dem
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