Bateman, Colin
ich keinerlei Beweise. Außerdem konnte ich immer
noch nicht vollständig ausschließen, dass er selbst in die Sache verwickelt
war. Normalerweise bekommt man von Kriminalbeamten immer zu hören, dass sie in
Papierkram ersticken; Detective Robinson dagegen trieb sich ständig in der
Gegend herum, gab vor, ein Büchersammler zu sein, und hielt mitten in der Nacht
einen gemütlichen Plausch mit mir ab, obwohl er mich eigentlich ohne weiteres
ins Revier hätte verfrachten können, um mich dort in die Mangel zu nehmen.
Er machte mir keinen
sonderlich dämlichen Eindruck, aber trotz Malcolm Carlyles Leiche, dem Toten in
meinem Lieferwagen, meiner vielen Abschürfungen und meines mangelnden Alibis
hatte er mich noch keinem verschärften Kreuzverhör unterzogen. Was, wenn der
wahre Grund für meine bisher unterbliebene Verhaftung schlicht darin bestand,
dass er für irgendeine beliebige Kombination von Radeks arbeitete und vermeiden
wollte, dass es irgendwelche Dokumente von Polizeiermittlungen gegen mich gab?
Und wer kannte sich letztendlich besser mit Morden aus: ein Cop, der auf den
Straßen dieser einst von Krisen geschüttelten Stadt hart und zynisch geworden
war, oder die Besitzer eines Autohauses?
Also würde ich den Fall sicher
nicht allzu bald der Polizei übergeben. Denn wenn Detective Robinson Dreck am
Stecken hatte, würde er mich unweigerlich von der Bildfläche verschwinden
lassen, sobald er Wind von meinen Absichten bekam. Oder er verschonte mich -
aus einem nicht weniger unangenehmen Grund: Durch seine schmutzigen Dienste für
die Radeks hatte er unter Umständen von ihrem großen Geheimnis erfahren, und
jetzt versuchte er, es mir zu entlocken, um sie damit zu erpressen. Ich kann
alles aushalten, nur keine Schmerzen, und schon bei der geringsten Androhung,
mir den Arm umzudrehen, hätte ich es ihm bereitwillig verraten, obwohl ich
immer noch nicht genau wusste, was es eigentlich war. Allerdings war ich jetzt,
wo ich bereits die Radeks als Drahtzieher der Morde entlarvt hatte, davon überzeugt,
dass auch ihr düsteres Geheimnis bald gelüftet sein würde.
Ich rief Alison und teilte ihr
meinen Verdacht gegen Detective Robinson mit.
»Red keinen Unsinn«, blaffte
sie. »Ruf mich an, wenn du wirklich was herausgefunden hast.«
Sie hatte Recht.
Ich musste mich konzentrieren.
Jeff, der alles mitangehört
hatte, bemerkte: »Alle Cops haben Dreck am Stecken«, und fügte dann hinzu: »Willst du sie
tatsächlich heiraten? Wenn sie jetzt schon so mit dir umspringt, in der heißen
Verliebtheitsphase, wie wird das dann erst, wenn du in den Hafen der Ehe
eingelaufen bist.«
Ich ließ mir das einen
Augenblick durch den Kopf gehen. Mein einziges Vorbild in dieser Hinsicht war
die zerrüttete Ehe meiner eigenen Eltern. Vater war in die Ehefalle gelockt
und über vierzig Jahre hinweg terrorisiert worden. Seine Wut darüber hatte er
an mir ausgelassen, mit einem Gürtel, einem Stock, einem Stiefel oder einem großen
orangefarbenen Hüpfball. Andererseits - Alison hatte wenig Ähnlichkeit mit
meiner Mutter. Ihr Spott war scherzhaft gemeint, ihre erniedrigenden Kommentare
waren von einem wissenden Lächeln begleitet, und ich hatte auch nie Sex mit
meiner Mutter gehabt. Davon abgesehen war Jeff einfach eifersüchtig auf meinen
Erfolg bei Frauen.
»Kümmere dich um deinen
eigenen Kram, Jeff, und halte die Augen nach Nazis offen.«
Zu seinem Schutz hatte er sich
einen Hurly-Schläger geliehen, von dem er nicht genau wusste, wie er ihn anfassen
sollte, sowie mein Schlachtermesser. Er grummelte: «Nazis.«
Ich war überzeugt, das
Geheimnis dieses Falls irgendwo in der Vergangenheit begraben zu finden, in der
Zeit der Deportationen, Todeslager und der anschließenden Wirren. Es drehte
sich um Anne Radek, ihre Erinnerungen, ihre niemals zu Papier gebrachten
Erlebnisse und ihre Angst vor dem, was geschehen könnte, wenn sie diese Dinge
je niederschrieb. Ging es darum, dass sie Zeugin von etwas Entsetzlichem
geworden war, ihr am eigenen Leib etwas widerfahren war oder dass sie jemanden
wiedererkannt hatte? Die Ereignisse, die ich zu untersuchen hatte, lagen mehr
als ein halbes Jahrhundert zurück, und die meisten Überlebenden des Holocaust
waren entweder tot oder im Greisenalter. Meine einzigen Hinweise bestanden in
zwei Namen und den beiden Nummern, die auf die Unterarme dieser zwei Personen
tätowiert waren. Aber das war immerhin ein Anfang.
Ich wickelte ein Twix aus.
Ich knackte ein Dose Diät-Cola.
Ich hockte mich
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