Batmans Schoenheit
Ausmaße eines durchschnittlichen Wohnzimmers, war jedoch kaum höher als eineinhalb Meter. Verschiedene Röhren führten an den Wänden entlang und in einer der Ecken befand sich ein Kessel, aus dem die Geräusche einer Wasserpumpe drangen, Geräusche wie die einer Nähmaschine, die in das Wasser einen Kalenderspruch stickt, bevor sie dieses Wasser wieder nach oben schickt. Du glaubst zu schieben, und du wirst geschoben .
Cheng erinnerte sich, zuvor, als er draußen im Garten gestanden hatte, durch die Scheiben des Gewächshauses auch eine Teichanlage gesehen zu haben. Nicht bloß einen Goldfischbrunnen, eher eins dieser Becken, wo Krokodile und Rochen und Schildkröten friedlich nebeneinander dahintreiben und einen insgesamt verschlafenen Eindruck machen. Zudem war da ein künstlicher Felsen gewesen, der aus seinem Inneren einen Wasserfall entlassen hatte. – Ja, das war es wohl. Er schien sich genau unterhalb dieses Beckens und dieses Wasserfalls zu befinden, in einem alten Hohlraum. Es tropfte an vielen Stellen und der Klang der »Nähmaschine« besaß einen altersschwachen Ton. Laut war es allerdings dennoch. Auch handelte es sich um dickes Mauerwerk. Und wie dick auch immer die wandhohe beziehungsweise wandniedrige Stahltüre sein mochte, sie war weder altersschwach noch unverschlossen.
Erst nachdem Cheng das dritte Zündholz entflammt hatte, sah er Straka. Dieser lag regungslos, mehr ein Bündel als ein Mensch, in einer Ecke. Cheng kroch hinüber. Dabei registrierte er endlich den heftigen Schmerz in der Mitte seines Gesichts. Er griff sich an die Nase. Herr im Himmel, es war so, als würde sein Finger in dieser Nase wie in einer Zange steckenbleiben. Jedenfalls mußte sie gebrochen sein. – Er dachte nach. Hatte er je eine gebrochene Nase gehabt? Er war ja schon einige Male in seinem Leben gezwungen gewesen, schwere Verletzungen hinzunehmen, aber eine gebrochene Nase war, wenn er sich nicht schwer täuschte, nie dabeigewesen. Ein Gedanke voller Bitterkeit erfaßte ihn. Er fragte sich nämlich, ob dieser Schriftsteller, der sich erfrecht hatte, sein, Chengs, Leben zum Vorbild für eine Romanfigur zu nehmen, ob dieser Kerl überlegt und spekuliert hatte, daß einst eine gebrochene Nase sich unter all den Mißgeschicken befinden würde.
Schon möglich, daß Chengs Selbstverhöhnung seine Schmerzen überlagerte. Daneben aber war noch immer eine Pflicht zu erfüllen. Zu Ende zu erfüllen. Gleich, wie dieses Ende aussehen sollte. Darum kroch er weiter, erreichte Straka und begann in der Dunkelheit das »Bündel« auseinanderzufalten. Das heißt, Cheng drehte Straka zu sich her und bettete dessen Kopf in die Mulde zwischen seinen Oberschenkeln. Sodann beugte er sich über ihn. Straka atmete. Aber es klang nicht gut. Cheng entzündete ein Streichholz, das er zwischen sich und Straka hielt. (Es muß gesagt werden, daß klarerweise die Inbetriebsetzung eines Streichholzes mit nur einer Hand eine nicht ganz einfache Übung darstellt, was wiederum nur darum nicht weiter thematisiert werden soll, weil Cheng es nicht ausstehen konnte, wenn behinderte Menschen ob irgendwelcher »Fingerfertigkeiten« und »Kunststückchen« bewundert wurden. Er sagte manchmal zu Ginette: »Ich warte nur drauf, daß die mal einen blinden Autorennfahrer in die Formel 1 schicken.«)
Im flackernden Schein des Lichts öffnete Straka jetzt seine Augen und erblickte somit den über und hinter ihm knienden und im Gesicht stark lädierten Cheng, was wohl ein wenig mystisch aussah. Zu schweigen davon, daß das hier kein Wirtshaus war, wo man sich nach Jahren zufällig mal wieder über den Weg lief.
»Mein Gott, Cheng«, sprach Straka mit einer Stimme, die von weit herkam, als sei er mit dieser Stimme eigentlich bereits woanders gewesen. »Sie können es wirklich nicht lassen.«
»Ich schwöre Ihnen«, sagte Cheng, »ich habe mich dagegen gewehrt. Aber Ihre lästige Kollegin …«
»Wo sind die anderen?« wollte Straka wissen, bereits wieder in die völlige Dunkelheit hineinsprechend.
Cheng erklärte, wo die anderen waren. Und sagte: »Ihre Leute stellen die ganze Gegend auf den Kopf. Die kommen zurück und werden uns finden.«
»Hoffentlich haben Sie recht. Ich halte das nicht mehr lange durch. Der Mann da oben scheint keine Lust zu haben, seine Gefangenen zu verköstigen. – Haben Sie irgendwas bei sich?«
»Zigaretten«, sagte Cheng.
»Davon wird die Luft leider nicht besser«, äußerte Straka mit einem kleinen Lachen, wie vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher