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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Diese dumme Straßenlärmattitüde der Avantgarde ödete ihn an. Vom Angeödetsein allein entsteht freilich noch kein Werk, außer man ist ein extremes Genie. Doch daß er das nicht war, nie sein würde, wurde Red nun klarer und klarer. Die Ahnung verfestigte sich. Ja, diese verfestigte Ahnung war gewissermaßen Reds letztes Kunstwerk, bevor er sich entschloß, mit der ganzen Geschichte aufzuhören. Denn nicht zu vergessen, er war ja in all diesen Jahren weiterhin Nachtportier geblieben. Das war zwar nicht der tollste aller Berufe, aber auch nicht nichts. Blieb nur die Frage, was Red statt der Kunstmagazine lesen mochte, wenn er seine Nächte totzuschlagen versuchte, es somit unternahm, sich im Totschlagen wachzuhalten.
    Aber diese Frage sollte sich bald erübrigen. Denn etwa drei Jahre nach ihrem ersten Treffen ergab es sich, daß Palle Swedenborg vor der Portiersloge auftauchte, in welcher Red saß. Swedenborg hatte einen stark betrunkenen Geschäftsfreund ins Hotel begleitet und zeigte sich nun freudig überrascht, Red zu sehen, obgleich natürlich niemals ein Zweifel darüber bestanden hatte, daß er und Red sich früher oder später wieder über den Weg laufen würden.
    »Was tun Sie hier, Red?« fragte Palle Swedenborg, als würde er es nicht sehen.
    Darum sagte Red ja auch: »Sieht man das nicht?«
    »Ich habe nach dem Warum gefragt«, verdeutlichte Swedenborg.
    »Um leben zu können, wie Sie sich vielleicht denken können.«
    »Leben wofür? Für die Kunst?«
    »Das ist vorbei.«
    »Für Frau und Kind?«
    Red schüttelte den Kopf.
    Palle Swedenborg zog einen schweren Füllhalter aus seiner Sakkotasche und schrieb auf ein Notizblatt eine Telefonnummer.
    »Rufen Sie mich morgen an«, sagte er. »Seien Sie bloß nicht zu stolz dafür. Im Stolz sitzt man wie in einer Wanne, in der kein Wasser ist.«
    Red nickte. Nicht, daß er im Moment wußte, was er mit diesem Nicken meinte.
    Doch als er am Nachmittag des nächsten Tages zum Telefonhörer griff, da wußte er es. Eine Stunde später saß er mit Swedenborg in einem kleinen Café, wo alle so taten, als sei Swedenborg der Besitzer, was er aber nicht war. Nun, genau besehen, besaß Swedenborg die ganze Stadt, auf eine inoffizielle, eine ohne Aktien und Firmenbeteiligungen funktionierende Art. Nicht, daß er keine Aktien besaß. Aber auf die Aktien kam es eben nicht an. Die Aktien waren nur ein Bild.
    »Ich biete Ihnen einen Job an«, sagte Swedenborg. »Sie erinnern sich. Ich will Sie als meinen Sekretär.«
    »Sie tun das nur«, meinte Red, »damit Sie nachher sagen können, Sie hätten die Zukunft richtig vorausgesehen.«
    »Selbst wenn das so wäre«, antwortete Swedenborg, »dann allein, weil es die Zukunft so will. Weil die Zukunft mich zu ihrem Handlanger macht.«
    »Wir sind alle die Handlanger der Zukunft.«
    »Da haben Sie absolut recht, Red. – Also, nehmen Sie an?«
    »Ich bin unqualifiziert.«
    »Ich qualifiziere Sie.«
    »Was genau werde ich tun?« zeigte sich Red endlich am Konkreten interessiert.
    »Sie werden mir jene Leute vom Hals halten, dir mir Halsweh verursachen. Und das sind viele. Eine Barriere bilden, einen Filter. Sie sollen kalt sein. Nicht unfreundlich, das wäre die plumpe Version. Sondern gleichzeitig verbindlich wie reserviert. Die anderen sollen glauben, man könnte mit Leichtigkeit durch einen wie Sie hindurchmarschieren, oder wenigstens an Ihnen vorbei, um dann aber festzustellen, daß man an Ihnen abprallt. Dafür haben Sie genau die richtige Figur: zart. Jedoch nicht so zart, daß man Sie für einen krankheitsanfälligen Kanarienvogel halten könnte. Sie sollen ein Spatz sein, klein und gewieft.«
    »Ein Spatz namens Hänschen?« fragte Red, der das Gespräch von vor drei Jahren in jeder Einzelheit im Kopf trug.
    »Nein, ein Spatz namens Red«, antwortete Swedenborg.
    Die Kunst geht, aber der Künstlername bleibt. Und so wurde Red also ein Spatz. Gerade der Umstand, daß er in keiner Weise die Fähigkeiten eines Sekretärs mitbrachte und zunächst kaum Ahnung von den geschäftlichen Aktivitäten seines Chefs besaß, schien ihn zu prädestinieren, durchaus in einer ähnlichen Weise, dank der er sich als Nachtportier geeignet hatte. Es war diese Unkenntnis tatsächlicher Verhältnisse, auch die Unkenntnis der Männer und Frauen, mit denen er es nun zu tun hatte. Die meisten waren Red trotz ihrer gewissen oder auch beträchtlichen Prominenz unbekannt. Er behandelte sie alle mit der gleichen höflichen Distanz. Ein schroffes Wort

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