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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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gegen seine Person brauchte ihn dabei nicht zu stören, da er sich der Solidarität Swedenborgs in jedem Punkt gewiß sein konnte. So, wie auch er nach und nach seinem Chef gegenüber eine absolute Loyalität entwickelte. Eine Loyalität, die der mächtige Swedenborg in dieser Ausschließlichkeit von niemand anders erfuhr. Denn natürlich hatte ein Mann wie Swedenborg keine Freunde, sondern nur Feinde, die sich als Freunde ausgaben. Das war normal in einer Sphäre, die mehr einem Spiel als sonstwas glich.
    Von den eigentlichen Geschäften erfuhr Red auch in den kommenden Jahren nichts, sondern lernte vielmehr die Strategien seines Chefs im Umgang mit der Welt begreifen. Es war wie beim Kochen. Palle Swedenborg war selbstverständlich der Koch, und Red wäre außerstande gewesen zu sagen, was hier eigentlich gekocht wurde. Dennoch verstand er die Küche zu organisieren, die Hilfsköche zu kontrollieren, die Ingredienzien zu besorgen und die Liste derer zu erstellen, die an einem Essen teilnehmen würden, von dem er selbst, Red, nicht mal die Menüfolge kannte. Genau darin bestand ja seine eigentliche Stärke: sich für diese Menüfolge in keiner Weise zu interessieren.
    Woher freilich die unbedingte Treue zu Swedenborg herrührte, war eine andere Frage. So ordentlich die Bezahlung Reds auch war, sie fiel mitnichten übertrieben aus. Zudem verzichtete Swedenborg darauf, Red in irgendeine Gesellschaft ökonomischer oder intimer Natur einzubinden. Red blieb der Angestellte des Hauses, der sich, wenn es privat wurde, entfernen durfte. Andererseits – ohne daß dies jemand groß auffiel – war Red der einzige, dem Swedenborg wirklich vertraute. Und vertrauen durfte. Es war etwas von einer Vater-Sohn-Beziehung zwischen ihnen. Ohnehin schien es so zu sein, daß Red nie einen Vater gehabt hatte, und Swedenborg nie einen Sohn, und daß dieses Manko nun in einer feinen, freundlichen Weise behoben war, ohne übers Ziel hinauszuschießen und irgendwie abartig zu werden. Denn auch zwischen Vater und Sohn muß es Geheimnisse geben. Alles zu sagen, hat nichts mit Vertrauen zu tun, stellt eher eine Belastung dar. Welcher Sohn möchte wirklich wissen, was sein Vater zu jeder Stunde so treibt.
    So blieb auch ihr Herr-Knecht-Verhältnis zunächst innerhalb der Grenzen eines Landes, das wir die Vernunft nennen.
    Daß Palle Swedenborg ein Mann der Unterwelt war, vielleicht sogar der Boß einer so geheimen wie mächtigen Organisation, welche mit allen Konsequenzen in Richtung Brutalität versuchte, den Markt von russischen und albanischen Gruppen, von Triaden, Cosa Nostra und Camorra, von den unsäglichen Kroaten und sonstigen durch Europa marodierenden Clans zu befreien, ja, daß er eine solche Loge alter Familien und neuer Investoren anführte, hielt Red selbst nach Jahren des Zusammenseins mit Swedenborg eher für unwahrscheinlich. Da war nie etwas gewesen, was er dahingehend hätte interpretieren können. Nun, es war ja auch nicht sein Job, zu interpretieren. Und daran hielt er sich lange Zeit.
    Aber auch »lange Zeit« geht einmal zu Ende.
    Dieses Ende ergab sich an einem verregneten Oktobermittwoch der an sich verregnet zu nennenden späten Neunzigerjahre. Swedenborg hatte Red zum Mittagessen mitgenommen, nicht eingeladen, denn man war nicht zum Spaß zusammen, das war man nie. Aber essen muß der Mensch halt schon und so begab man sich in den Extraraum eines japanischen Restaurants, um zwischen zwei Gängen einige Dinge zu besprechen. Es ging in erster Linie um Obst, beziehungsweise um Obstsäfte, die ja ebenfalls hergestellt und verkauft werden müssen, auch wenn eine geheimnisumwitterte Gestalt wie Palle Swedenborg nur schwerlich mit Obst in Verbindung zu bringen war. – Warum? Weil Obst harmlos ist? Die Menschen würden staunen, wäre ihnen bewußt, was Obst alles auszulösen imstande ist. Obst funktioniert wie eine Droge. Und bei Obstsäften geht es deshalb in erster Linie darum, sie so hinzukriegen, daß die Konsumenten nicht völlig high davon werden und in der Folge in klageträchtiger Weise durchdrehen.
    Ein Telefon läutete. Swedenborg zog sein Handy aus der Tasche. Die gab es ja auch damals schon eine geraume Zeit, so eines mit Slider-Technik, wo sich die Tastatur unter dem Display versteckt, mit kurzer Antenne und einem Hörteil, der wenigstens noch annähernd die Größe und Form eines Ohrs zitiert.
    Swedenborg »hob ab« und sagte zum Anrufer: »Einen Moment!« In der Folge wandte er sich zu Red hin und bat diesen,

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