Batmans Schoenheit
Sie meine Sachen gekauft haben, wenn Sie sie für Schrott halten.«
»Nun ja, man kann nicht jeden Tag einen Lüpertz oder Baselitz kaufen. Würde man es tun, wäre man ein Prolet. Eine richtige Sammlung muß aus Höhen und Tiefen bestehen, und nicht zuletzt aus einer Mitte. Die Mitte ist das menschliche Maß zwischen den genialen Höhenflügen und den nicht minder genialen Abstürzen. Ingmar Bergman und Ed Wood sind fast gleich berühmt und das hat doch wohl seinen Grund.«
»Jetzt verstehe ich. Sie gestehen mir also nicht einmal den Versager zu, sondern bloß das pure Mittelmaß.«
»Ich sagte menschliches Maß . Wenn Sie das als Mittelmaß abtun wollen, kann ich es nicht ändern. Aber ich habe diese Objekte sicher nicht gekauft und Sie hierher eingeladen, um Sie zu demütigen, lieber Red. Sie waren mir sofort sympathisch. – Wissen Sie, ich kann in die Zukunft schauen.«
»Ach was!?« wechselte Red vom Beleidigtsein zum Spott.
Swedenborg blieb aber völlig ernst und erklärte: »Nicht im klassischen Sinn einer Glaskugelprophezeiung, natürlich nicht. Aber ich meine doch, daß ich gerade dadurch, jemandem gerade erst begegnet zu sein, etwas von seiner Zukunft wahrnehme. Etwas ertaste, was später, bei näherer Bekanntschaft, nicht mehr möglich ist. Mit einem Menschen vertraut zu sein, bedeutet, daß der Blick verstellt ist. Wenn Sie länger mit einem Haustier zusammen sind, sehen Sie ja auch nicht mehr den Hund oder die Katze oder das Meerschweinchen, sondern jemand, der Waldi oder Minki oder Hänschen heißt. Sie verlieren den Blick für das eigentliche Wesen und erkennen nur mehr eine Projektion ihrer Wünsche und Vorurteile.«
»Mir scheint, daß Sie bereits eine Menge Vorurteile gegen mich gesammelt haben.«
»Mag sein. Aber ich verlasse mich auf meinen ersten Eindruck, meinen kleinen Blick in die Zukunft.«
»Und was haben Sie da gesehen?« fragte Red.
»Daß Sie einmal mein Sekretär sein werden.«
Red lachte in der hustenden Weise stolpernder Zirkusclowns und meinte dann, Swedenborg mache wohl Witze. »Ich kann nicht mal ordentlich Schreibmaschine schreiben.«
»Ich sagte nicht Sekretär in , sondern Sekretär.«
(In der Tat, das war damals, Anfang der Neunziger ein interessanter Unterschied. Na, ist es wohl heute noch.)
Dennoch mußte Red ob dieser Prognose den Kopf schütteln. Darum meinte er auch: »Ich werde Ihnen mit so was nicht dienen können, Herr Swedenborg. Haben Sie die Gnade und stecken Sie meine Kunstwerke in den Müll. Ich meine, wenn Sie das nur gekauft haben, um mich in irgendeine perverse Geschichte reinzuziehen.«
»Pervers? Ich verstehe nicht.«
»Ich auch nicht«, sagte Red, drehte sich um und ging.
Swedenborg rief ihm etwas nach. Dieses Nachgerufene besaß wie jeder Hall den Nach- oder Vorteil der Wiederholung. Allerdings einer Wiederholung, die sich nicht wirklich abzuschwächen schien. Und es war ja auch stichhaltig zu nennen, wenn Palle Swedenborg verlautbarte: »Die Zukunft kann man nicht ändern.«
Viertes Bild:
Die Natur der Schrauben
Das kann man wirklich nicht. Obgleich Red sich in den folgenden Jahren wacker abmühte und auch einige Erfolge verbuchen durfte, blieb er in jener gleichförmigen Entwicklung stecken, die geradewegs ins Lehramt führte. Und das war es nun wirklich nicht, wo Red hinwollte. Doch was sollte er statt dessen tun? Zu schreiben beginnen? Gott behüte, da hatte Swedenborg wirklich recht. Schreibende Maler waren in der Regel eine Plage. Die Nähe zwischen Malerei und Schriftstellerei ist eine angenommene, eine behauptete, doch das ist Quatsch. Unterschiedlicher können Disziplinen nicht sein. Maler haben eher etwas mit Generälen, Walfängern, Architekten, mit Irren wie mit deren Irrenärzten gemein, aber sicher nichts mit Leuten der schreibenden Zunft, deren grundsätzliche Lebens- und Arbeitsweise der des Buchhalters, des Croupiers, des Laboranten oder jener Leute ähnelt, die im Supermarkt die Regale einräumen, und zwar richtig einräumen. Auch Schriftsteller bemühen sich um das richtige Einräumen, während Maler ständig auf der Suche nach interessanten Fehlern sind, die sie dann mächtig aufblasen und als ihre Erfindung hinstellen. Wenn die Natur einen richtigen Hasen schafft, schafft die Kunst einen falschen Hasen.
Kein Schreiben also. Sondern? Er versuchte sich in der Musik, in experimenteller Musik, woran er aber rasch das Interesse verlor. Die Musik war ihm zu abstrakt, gleich, wieviel »reale« Töne er einarbeitete.
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