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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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sind frei von Begierden, abgesehen von der Begierde, rechtbehalten zu wollen. Aber wer heißt schon Marat? Darum sage ich ja: Müßten wir diese Frau töten, wäre ich sehr enttäuscht. – Wollen Sie, daß ich enttäuscht bin? Nicht! Schön, daß Sie zumindest das verstanden haben. Jetzt handeln Sie hoffentlich auch danach.«
    Er hatte aufgelegt. Der Display des Siemensgeräts schob sich wie ein vom Luftzug gewölbter Theatervorhang über die Tastatur. Red vernahm das Seufzen seines Chefs und aus diesem Seufzen heraussteigend die Äußerung: »Lauter Kretins!«
    Auch Red hätte gerne geseufzt, hielt freilich den Atem an. Er fühlte sich elendiglich.
    Stimmt schon, Swedenborg hatte sich in diesem Gespräch nicht etwa als ein verwandeltes Monster erwiesen, hatte nicht davon gesprochen, jemand durch Folterung gefügig zu machen oder dessen Kinder aufschlitzen zu lassen. Nein, was Red schockte, war der Umstand, daß Swedenborg in der gleichen kultivierten Weise, mit der er den An- und Verkauf von Obstsäften und Computerteilen und Aktienpaketen durchführte, auch über die Disziplinierung einer eigenwilligen Staatsanwältin verhandelte. Hätte er sich in diesem Moment als ein solches verwandeltes Monster erwiesen, wäre es Red vielleicht eher gelungen, das eine vom anderen zu trennen und sich weiszumachen, daß dieser Mann, den er derart verehrte und schätzte, eben zwei Gesichter besaß. Weil zwei Gesichter dazugehörten im Leben der Menschen. Wäre es so gewesen, hätte sich Red auch in Zukunft nur mit dem einen Gesicht, dem, das eben nicht die Fratze eines Monsters darstellte, abzugeben brauchen.
    Aber da waren keine zwei Gesichter, sondern bloß eines. Mit diesem einen schien Swedenborg alles gleichermaßen bewerkstelligen zu können, so daß sich die Illusion zerschlug, zwischen Obstsäften und der Zurechtbiegung einer Staatsanwältin bestehe ein Unterschied.
    Red ersparte sich die Mühe, seine Täuschung fortzusetzen, indem er jetzt nochmals die Türe auf- und zumachte. Er trat zurück in den Raum und setzte sich.
    »Das war dumm von dir«, sagte Swedenborg, der sofort die Situation erkannte, »wir werden es jetzt nicht mehr ganz so leicht miteinander haben.«
    »Ich könnte gehen.«
    »Wohin?«
    »Ich meine, ich könnte den Job hier aufgeben und wieder Portier werden.«
    »Warum? Meinst du, du würdest dort deine Unschuld zurückgewinnen? Im Umfeld von Nutten und Zuhältern und Männern, die zwischen den Beinen einer Frau jeden Anstand verlieren. Was denkst du? Daß in diesem Jammertal der Portier die Reinheit der Seele verkörpert? Wenn das stimmt, stimmt es erst recht für einen Sekretär. – Ich mag dich, Red, meine Freunde und Partner mögen dich, sogar meine Frau, was an ein Wunder grenzt, und das, obwohl du heimlich rauchst. Es wäre also mehr als schade, wenn das alles ein Ende haben sollte, nur, weil du so töricht warst, einem Gespräch zu lauschen, das für dich nicht bestimmt war.«
    »Was tust du da genau?« zeigte sich Red jedoch uneinsichtig. »Ich meine, wie viele Leute läßt du im Jahr so umbringen? Wie viele Leute bedrohen? Und wie viele Leute läßt du nur darum am Leben, damit du sie für dich und deine Zwecke einspannen kannst?«
    Swedenborg verzog sein Gesicht zu einer pflaumenhaften Mitleidigkeit und postulierte: »Man sollte nicht über Viren sprechen, wenn man noch nie krank war. Erspar mir deine moralischen Ergüsse, bitte!« Er war jetzt ganz Vater.
    Manchmal ist es das beste, eine Diskussion zu beenden und die Kinder ins Bett zu schicken. Das tat Palle Swedenborg nun mit autoritärer Geste und wies Red an, ins Büro zurückzufahren. Zurück in die am Agathe-Lasch-Weg gelegene Villa, wo ja Red, der Sekretär, wie im Schoße einer Familie aufgehoben war, fast jeden Tag Swedenborgs Frau begegnend, die übrigens ebenfalls heimlich rauchte, nicht selten zusammen mit Red, so daß die beiden sich in einer kindhaften Weise verbunden waren. Dazu rannten jede Menge Tiere im Haus umher, fast wie in einem Lustspiel, und auch wenn keine Kammerdiener aufgereiht standen, so gab es natürlich dennoch Personal, zuvorkommende, achtsame Charaktere. Man war halt einfach ein familiärer Verband, der zusah, daß dieses Haus in Schuß blieb und daß die Viecher was zu Fressen hatten und daß der Garten nicht verkam. Red fühlte sich im Kreis dieser Swedenborgschen Hausequipe vollkommen wohl, fühlte sich verstanden und geborgen. – Wollte er darauf wirklich verzichten? Nur, weil sich bewahrheitet hatte,

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