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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Übertreibung und gestischer Clownerie, wenn nur die Stimme einen betört.
    Mia Lovis war keine dreiundzwanzig geworden, eine junge Lulu, aber auf eine »kluge Weise verdorben«, wie es geheißen hatte. − Während noch der Tod von Winter und selbst der des Fernsehmenschen Brüggen weniger Bestürzung denn theatergerechtes Raunen und Staunen hervorgerufen hatte, war das Publikum nun ehrlich geschockt. So ehrlich es eben ging. Denn die Lüge des Theaters hat folgerichtig eine gewisse Verlogenheit des Publikums zur Folge. Lügende Eltern bringen selten ehrliche Kinder hervor.
    Es waren somit zwei Merkmale, welche die drei Fälle grundlegend verbanden. Einerseits der Umstand, daß alle Ermordeten Schauspieler gewesen waren, und andererseits die jeweils fünf Projektile, die eine enorme und schließlich todbringende Blutung hervorgerufen hatten. Denn auch Mia Lovis war auf diese Weise gestorben.
    So die offizielle Variante. Und die stimmte ja auch, allerdings hatte man über ein in allen drei Fällen auftauchendes Indiz nichts verlautbart, gleichwohl es sich in keiner Weise um ein erschrekkendes Detail handelte, eher möchte man sagen: ein poetisches. Aber möglicherweise galt, daß in einer an Grausamkeiten aller Art gewöhnten Gesellschaft der Umstand einer poetischen Wendung – die ohne Blut, ohne Tortur, ohne das Perfide einer langen Qual auskam, niemand gefickt und gewürgt und zerstückelt wurde –, daß etwas Derartiges die Menschen in dieser Stadt in einem noch viel tieferen und ernsteren Maße beunruhigt hätte. Eine Beunruhigung, welche die Verantwortlichen sich und der Bevölkerung offenkundig ersparen wollten.
    So blieb es also dabei, daß als stilbildendes Charakteristikum ein »gezieltes Danebenschießen« kolportiert wurde. – Wenn nun ein Profi dahinter steckte, stellte sich die Frage, weshalb er sich solche barocken Umstände machte und die Opfer leiden ließ. Zu welchem Zweck? Im Falle eines Laien konnte man natürlich diverse pathologische Hintergründe annehmen: Haß auf das Theater oder Haß auf die Prominenten, beziehungsweise der Versuch, mittels der Prominenz der Toten eine eigene Prominenz zu entwickeln. Doch bei solchen Geschichten waren die Täter in der Regel mitteilsamer, gaben Hinweise auf die eigene Person, betonten ihre Ausnahmestellung, schrieben offene Briefe und dergleichen, gaben sich künstlerisch, sogar verspielt, machten Fehler, weil sie Fehler machen wollten, ganz in der Art eines Handikaps, damit die unterlegene Polizei auch ihre Chance bekam. Denn für solche Typen war die Polizei die einzige »Person«, von der sie sich verstanden fühlten. Die Angst der Opfer mochte ebenfalls einen Reiz besitzen, aber mit »verstanden werden« hatte das nichts zu tun. So klug waren auch die Wahnsinnigsten, um zu begreifen, daß jemand, dem man ein Messer an die Gurgel drückte oder eine Pistole ins Gesicht hielt, kein echter Gegner war, kein »gutes Publikum«, niemand, der den Wert des Verbrechens richtig einschätzen konnte. Mit der Polizei aber, so meinten die Wahnsinnigen – und dies ist einer der wenigen Topoi in Film und Fernsehen, der etwas für sich hat –, wären sie in einer symbiotischen Weise verbunden. Der eine konnte ohne den anderen nicht existieren.
    Ob nun Profi oder Laie, was so vollkommen fehlte, war ein benennbares Motiv. So daß man praktisch darauf wartete, daß der Killer ein solches demnächst nachliefern würde. In der Zwischenzeit jedoch mußte die Polizei etwas unternehmen. Aber was? Einem jeden in Wien tätigen Schauspieler rund um die Uhr Personenschutz gewähren? Das ging natürlich so wenig wie man einen Verdächtigen aus dem Ärmel schütteln konnte, so sehr die Politik genau das verlangte, weil sie selbst es so gerne praktizierte. Doch die Politik vermochte eben in ähnlicher Weise zu lügen wie das Theater, die Polizei nicht. Zumindest waren die meisten Polizisten – sehr im Unterschied zur Justiz – strikt darum bemüht, den Richtigen und nicht den Nächstbesten zu überführen. Es war genau dieser kriminalistische Ehrgeiz, dieser geradezu gesellschaftsuntypische sportive Geist, der die Polizei für jene egomanischen Serienmörder so attraktiv machte. Die Polizei konnte man ernst nehmen, weil man umgekehrt auch von ihr ernst genommen wurde.
    Eine Sonderermittlungsgruppe war eingerichtet worden, die den Namen »Quintus« trug, was sich also auf die Ordnungszahl Fünf bezog. Man war nämlich zur Überzeugung gelangt, daß die Menge der verwendeten

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