Batmans Schoenheit
was er gleichermaßen für unmöglich gehalten, jedoch insgeheim geahnt hatte. Denn wie anders sollte es funktionieren? Die banale Regel, daß wo Licht, da auch Schatten, war nirgends so stark verankert wie im Bereich jener Individuen, welche die Zügel und Fäden und eben auch die Peitschen in Händen hielten. Stellte sich freilich die Frage, wie schwarz und kalt und abgründig ein solcher Schatten war. Die Einschüchterung, gar Liquidierung von Staatsanwältinnen ließ nicht gerade einen dieser kühlen Winkel vermuten, die uns an heißen Tagen so willkommen sind. Andererseits konnte Red nicht aufhören, in Swedenborg einen noblen, interessanten und großzügigen Menschen zu sehen, der seine Macht sehr viel weniger zelebrierte als die meisten anderen Halbgötter.
Red entschloß sich zu bleiben. So wie er sich entschloß, den Schatten zu meiden.
Schöner Traum! Mag sein, daß man das Licht lenken und manipulieren kann, nicht aber den Schatten, der ja keine Quelle besitzt, sondern eine Folge darstellt. Das ist wie mit der Schokolade und dem Dicksein.
Zweiter Saal
Die Frau: »Was für einen Nachnamen habe ich?«
Der Mann: »Was für einen Vornamen habe ich?«
(Angie Dickinson als eine Frau, die einfach nur Chris heißt, und Lee Marvin als ein Mann, der einfach nur Walker heißt, in John Boormans Film Point Blank )
Ich habe noch einen Fehler. Ich sterbe nicht.
(Naima Wifstrand in Ingmar Bergmans Film Wilde Erdbeeren )
Fünftes Bild:
Das Bild von der Fünf
In Wien geschah es nun, daß die viele Wochen zurückliegende Ermordung des Schauspielers Erich Winter erneut zum Thema wurde. Und zwar im Zuge des Auffindens eines weiteren Toten, der auf die gleiche Art und Weise umgebracht worden war, nämlich mittels von fünf Projektilen, von denen kein einziges ein lebenswichtiges Organ getroffen hatte, so daß das Opfer schlichter- und tragischerweise am Verlust seines Blutes zugrunde gegangen war. Kein Wort mehr über die im Fall Winter anfänglich behauptete »leidenschaftslose Machart«. Dennoch blieb auch hier der Eindruck des Professionellen erhalten, da es ja gar nicht so einfach war, fünfmal praktisch danebenzuschießen, kein lebenswichtiges Organ zu treffen. Frappant war zudem, daß es sich bei dem neuen Opfer ebenfalls um einen Schauspieler handelte, jünger als Winter, dreißigjährig, schöner Mann, Max Brüggen, ein Liebling der Frauen wie der Männer, bekannt auch aus deutschen Fernsehserien, wobei es geheißen hatte, Brüggen hätte noch der idiotischsten Rolle einen Hauch von Hollywood verliehen. Was sich wohl nicht zuletzt auf seine Ähnlichkeit zu Brad Pitt bezog. Jedenfalls war er ein vollkommen anderer Charakter als Winter gewesen, mehr Bambi als Iffland-Ring. Winter hatte als der Weintyp, Brüggen als der Kokstyp gegolten, auch hatten die zwei in recht verschiedenen Kreisen verkehrt. Nichts schien sie zu verbinden außer dem Umstand, im gleichen Gewerbe tätig gewesen zu sein. Überhaupt stellte sich die Frage, ob man bereits von einer echten Mordserie sprechen konnte, inwieweit nicht etwa die nach und nach ans Tageslicht der Gazetten getretenen Einzelheiten im Fall Winter jemand dazu inspiriert hatten, Brüggen auf die gleiche Weise, aber aus gänzlich anderen Beweggründen umzubringen. Ja, der Verdacht ergab sich, daß Winter einem irgendwie persönlichen Motiv zum Opfer gefallen war, Brüggen hingegen einem irgendwie kriminellen. Doch diese Sichtweise resultierte allein aus jener erwähnten Unterscheidung zwischen Wein und Koks. Dem Wein hing das Private an, während Koks eher den Geruch der weiten Welt und ökonomischer Zusammenhänge verströmte. Als gebe es zwar eine Koksmafia, aber keine Weinmafia.
Als jedoch kurze Zeit später in einer großzügigen Dachwohnung mit Blick auf einen von Alleebäumen friedvoll umzäunten Flakturm die Leiche einer jungen Frau gefunden wurde, zweifelte niemand mehr am Tatbestand einer Serie. Die tote Frau war eben noch im Burgtheater als Lulu in Wedekinds Die Büchse der Pandora zum Liebling des Publikums erkoren worden, und das, obwohl sie aus Aachen stammte. Doch der antideutsche Reflex des Wiener Theaterpublikums war an dieser Stimme, die ein Kritiker als »mit der Luft musizierend« definiert hatte, zerschellt. − Da war sie schon wieder, die Sache mit der Stimme, worauf die Wiener noch mehr abfuhren als andere Menschen. In der Medizin nennt man es, oder könnte es zumindest so nennen, das Oskar-Werner-Syndrom: diese Akzeptanz jeder Peinlichkeit und
Weitere Kostenlose Bücher