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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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verschwunden, wie man das bei Bären und alten, dicken Boxern nicht für möglich halten würde. Aber im Schnellverschwinden sind sie große Meister.
    Red setzte sich auf die Bettkante und überlegte, was er mit dieser spärlichen Information anfangen sollte. Er ließ sich zurückfallen und öffnete sein Hemd. Mit den Schuhen blieb er am Boden. In diffuser Nachdenklichkeit verharrend, schlief er derart rasch ein, daß kein noch so schneller Tod ihn hätte ereilen können.
    Als Red am nächsten Morgen von den Geräuschen der Straße geweckt wurde, befand er sich in der gleichen Position wie am Abend zuvor. Allerdings waren seine Füße nackt. Bevor er noch die Augen aufschlug, empfand er den angenehm kühlen Morgenwind, der sich wie wildes Wasser in den engen Buchten seiner Zehen drehte. Es spürte dies so deutlich, als würde er nur noch aus diesen nackten Zehen und den auf dem Fußboden aufsitzenden Sohlen bestehen. Gut so! Aber dann öffnete er die Augen, und die Welt war da. Zu der auch die Frage gehörte, wann er sich eigentlich der Schuhe und Socken entledigt hatte, die ordentlich hingestellt und ordentlich über die Sessellehne gehängt in mehreren Schritten Entfernung zu sehen waren. Es entsprach überhaupt nicht seiner Art, Schuhe wie mit dem Lineal zu postieren. Aber bitte, er hatte dies offensichtlich im Schlaf getan. Und wer kann schon sagen, wozu man im Schlaf alles fähig ist, nicht nur zu diversen Grauslichkeiten, sondern vielleicht auch zur Tugend der Ordnung.
    Red zog seine nackten Füße hoch und betrachtete sie eingehend. Eigentlich zum ersten Mal in seinem Leben so richtig und eindringlich und überlegend. Noch einen Tag davor hätte er sie kaum beschreiben können, wäre unfähig gewesen, die »Augenfarbe« dieser seiner Füße zu nennen.
    Somit also ein wenig klüger ob der eigenen Person (denn warum ausgerechnet die Füße, die den Menschen durch die Welt tragen, so selten Beachtung finden, ist in der Tat merkwürdig), ging er ins Badezimmer, machte einen frischen Mann aus sich, zog sich saubere Wäsche an und begab sich nach unten zum Frühstück.
    Zwei Stunden später stand er in der Lerchenfelder Straße, vor dem Haus, in dem ein Mann namens Markus Rubinstein wohnte. Red hatte die Adresse aus dem Internet, wo er auf eine einzige Person gestoßen war, die in Wien so hieß.
    Und jetzt?
    Nun, Red wußte selbst nicht so recht, was er hier tat. Aber dieser »unechte Chinese« mit dem jüdischen Namen war nun mal der einzige echte Anknüpfungspunkt. – Stimmte das denn? Red hätte genauso gut versuchen können, die wahre Bedeutung Fellbergs zu erkunden, das Wesen von dessen Auftrag. Er hätte sich also an die Fersen eines Flughunds heften können, anstatt sich in eine kleine Imbißstube zu setzen und hinüber auf die Fassade des renovierten Altbaus zu sehen, spekulierend, welche von den Fenstern die Rubinsteinschen waren. Auch wäre nicht minder naheliegend gewesen, sich einmal den Mann anzuschauen, der diese Cheng-Romane fabriziert hatte und dessen Name ja wohl auf den Büchern stand.
    Wie auch immer, Red hatte beschlossen, sich vorerst dem echten und nicht dem erfundenen Cheng zuzuwenden. Er hatte sich praktisch gegen das Buch und für das Leben entschieden. Eine komische Wahl eigentlich.
    Aber das Warten lohnte sich. Dem Kugelmodell des Schicksals entsprechend, ergab es sich, daß gegen mittag eine Gruppe von drei Personen aus dem Haus trat. Eine mittelgroße, schlanke, auf eine legere Weise elegante Frau mit schwarzem gelockten Haar, neben ihr ein Mädchen, höchstwahrscheinlich das Kind der Mutter, ohne ihr ähnlich zu sehen, zumindest auf den ersten, fernen Blick. Dritter im Bunde war ein nicht minder schlanker Mann, kleiner als die Frau, dunkelblauer Anzug, dunkelblaues Haar, was ja nur eine Einbildung sein konnte. Oder eine Reflexion. Die Sonne schien so kräftig auf die Straße und die Autos und die Menschen herunter, daß sich möglicherweise im schwarzen, glatten Haar dieses Mannes das Blau seines Anzugs spiegelte. Jedenfalls handelte es sich um einen Chinesen beziehungsweise um einen Mann, dessen geschärfte, wie mit einer Rasierklinge in feines, lichtdurchscheinendes Papier geritzten Gesichtszüge seinen asiatischen Hintergrund verrieten, so wienerisch oder gar jüdisch er auch sein mochte. Und vor allem natürlich war zu sehen, daß der linke Ärmel des so perfekt sitzenden Anzugs in die Sakkotasche mündete, seinerseits perfekt. Als handle es sich um einen Karton, der genau die

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